Kerzenlicht Für Eine Leiche
bückte sich und tätschelte den Hund. Dann wandte er sich um und führte eine langbeinige, pferdegesichti ge Brünette ins Haus, die hinter ihm gestanden hatte.
»Darf ich Ihnen allen Angie vorstellen, meine Verlobte. Angela Pritchard.« Er strahlte in die Runde. Leise sagte Margaret Holden:
»Ich wusste gar nicht … Wie schön, Sie wiederzusehen, Angela.«
»Sie bleibt ein paar Tage bei uns, Mama!«, sagte Lars so herausfordernd, dass Markby die Augenbrauen hob und die Walcotts erneut viel sagende Blicke wechselten. Laut und selbstbewusst sagte Angela Pritchard:
»Guten Abend allerseits.« Sie trat vor, Lars an ihrer Seite, und Holden stellte ihr nacheinander die übrigen Gäste und in Merediths Fall sich selbst ebenfalls vor. Er strahlte eine hektische Kompetenz aus, und sein Gesicht war vor Aufregung gerötet. Angela Pritchard hingegen blieb eiskalt und souverän, während sie Hände schüttelte und auf die huldvolle Weise lächelte, die Frauen von Würdenträgern so an sich haben. Sie hat, dachte Meredith mit heimlicher Belustigung, etwas von einer Botschafterfrau an sich. Sie und Lars waren ein beeindruckendes Paar. Und doch – was hier geschah, war alles andere als amüsant. Lars und Angela hatten mit ihrem gemeinsamen Manöver Margaret Holden an den Rand der Gesellschaft gedrängt und ihr die Initiative genommen. Sie stand einen Augenblick lang da, Oscar an ihrer Seite, dann murmelte sie unvermittelt:
»Ich gehe in die Küche und sage Doris, dass sie ein weiteres Gedeck auflegen soll.« Rasch bewegte sie sich zu einer Tür auf der Rückseite der Eingangshalle. Oscar zögerte einen winzigen Augenblick, dann schien er eine Entscheidung zu treffen und trottete hinter ihr her. Wahrscheinlich hielt er es für klüger, sich mit demjenigen zu verbünden, der das Regiment über die Küche führte. Es war ein eigenartiger, symbolischer Moment. Auch Pater Holland hatte es bemerkt.
»Lieber Himmel!«, murmelte er so leise, dass nur Meredith ihn hören konnte. Sie begegnete seinem Blick.
»Die Königin ist tot«, flüsterte er.
»Lang lebe die Königin!«
Das Esszimmer von Old Farm war ein schmaler, lang gestreckter Raum. Auf der dem Eingang gegenüberliegenden Stirnseite befand sich ein gemauerter Kamin. Die Tafel stand längs im Zimmer, ein antikes, außergewöhnlich massives Möbelstück, schwarz vom Alter und von Politur, mit zahlreichen Kratzern und Gebrauchsspuren. Sie sah aus, als stammte sie aus einem alten Refektorium oder einem Passagierdampfer. Die anfängliche Missstimmung hatte sich gelegt. Das Essen war ausgezeichnet, und Lars, inzwischen in voller Fahrt, erwies sich als hervorragender Gastgeber. Meredith betrachtete ihn eingehend und fand, dass er ein gut aussehender junger Mann war, wenn auch recht stämmig gebaut. Vielleicht war er früher Sportler gewesen, doch heute verwandelten sich seine Muskeln allmählich in Fett. Er muss aufpassen, dachte sie.
Vielleicht würde seine Verlobte dafür sorgen, dass er eine Diät begann. Angie Pritchard repräsentierte ein fesselnderes Studienobjekt für Merediths Neugier. Sie war, genau betrachtet, keine Schönheit, doch es gelang ihr nichtsdestotrotz, eine Aura der Noblesse auszustrahlen. Alles war eine Frage des Stils und des Selbstvertrauens, entschied Meredith, ganz zu schweigen von ihrer kostspieligen, geschmackvollen Garderobe in Königsblau. Der ausgezeichnete, perfekt gepflegte Haarschnitt stammte ohne Zweifel von einem der modischeren Coiffeure Londons.
Was für ein Glück, dachte Meredith, dass Angie nicht auch noch Schwarz angezogen hat! Sie bemerkte, dass Angie sich gegenüber Major Walcott ungewöhnlich aufmerksam verhielt. Der gute Major war nicht unempfänglich für ihren Charme. Er wurde zunehmend redseliger. Pater Holland unterhielt sich angeregt mit Margaret Holden. Alan hatte nicht viel zu den Konversationen beizutragen. Er schien sich stattdessen für die Wand über dem Kamin zu interessieren. Schließlich bemerkte Lars seine Geistesabwesenheit.
»Gefällt Ihnen das Gemälde, Alan?«, erkundigte er sich.
»Ich glaube, Vater hat es in einem Second-Hand-Laden erstanden, stimmt’s, Mama?«
»In Bournemouth«, antwortete Margaret.
»Ganz zu Anfang unserer Ehe.«
»Es ist ein hübsches viktorianisches Seestück von einem unbekannten Künstler. Wir haben es einmal einem Gutachter von Sotheby’s gezeigt. Es ist nicht wertvoll, aber es würde trotzdem einen anständigen Preis erzielen«, berichtete Lars.
»Dein Vater hat es gekauft,
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