Kerzenlicht Für Eine Leiche
denen, die dir unter die Haut gehen.« Das Bett knarrte und schaukelte, als Alan sich aufsetzte. Er streckte die Hand nach seiner Uhr auf dem Nachttisch aus und schielte auf das beleuchtete Zifferblatt. Sie erkannte den Umriss seines Kopfes und seiner Schultern, dunkel vor dem Hintergrund der Vorhänge. Er legte die Uhr wieder zurück, doch er blieb sitzen. Die Bettdecke bewegte sich, als er die Beine anzog und seine Arme darum schlang.
»Ich schätze, du hast Recht. Ein Mord, der sich vor zwölf Jahren in Bamford ereignet hat. Ich bin um diese Zeit hergekommen, und damit war Bamford mein Revier und mein Verantwortungsbereich. Bevor du fragst – ich hatte nichts mit der damaligen Untersuchung zu tun. Ich sage nicht, dass die Beamten, die mit dem Fall betraut waren, schlechte Arbeit geleistet haben oder dass ich es besser gemacht hätte. Sie haben alles getan, was in ihrer Macht stand. Sie haben die Großmutter nach den Gewohnheiten Kimberleys befragt und die Mutter aufgespürt, die das Kind verlassen hatte, als es noch ein Baby war. Sie fanden nichts, was auf ein Verbrechen hingedeutet hätte. Es geschieht nicht gerade selten, dass Teenager von zu Hause weglaufen. Das Mädchen hatte sich mit seiner Großmutter gestritten, und wir wissen, dass sie schwanger war.« Er schnitt eine Grimasse.
»Aber sie war keine Ausreißerin. Es war ein Mord, und es muss etwas übersehen worden sein, irgendein Hinweis, so klein oder offensichtlich so normal, dass niemand es bemerkt hat. Es hätte nicht geschehen dürfen. Jetzt habe ich eine Chance, die Dinge zurechtzurücken. Es geschieht nicht häufig bei unserer Arbeit, dass wir eine zweite Chance erhalten.« Es geschieht auch sonst nicht oft im Leben, dachte Meredith. Sie hatte ebenfalls eine unerwartete zweite Chance erhalten. Eine Chance zu einer Beziehung, die mehr als künstlich war. Genau wie Alan. Beide waren sich der Tatsache fast schmerzhaft bewusst – als fiele es ihnen schwer zu glauben, dass sie so viel Glück gehabt haben konnten. Sie wollte ihre Pläne für die Nacht unter keinen Umständen über den Haufen werfen, doch wie es schien, schwebte seine Arbeit ständig über ihnen und drohte den Lauf der Dinge zu stören. Sie fragte sich, ob er wusste, wie sehr sie es hasste. Und wie sehr sie sich deswegen schämte, weil seine Arbeit wichtig war, nicht nur als Arbeit an sich, sondern auch für ihn persönlich. Trotzdem, sie konnte nichts dagegen tun. Margaret Holden sah in Angie Pritchard eine Rivalin. Meredith besaß ebenfalls eine Rivalin, doch in ihrem Fall änderte sich der Name dieser Rivalin mit dem jeweiligen Fall. Stets war ein unsichtbares Opfer zugegen, und stets galt Alans erste Aufmerksamkeit ihm. Jetzt, in diesem Augenblick, war der Name von Merediths Rivalin Kimberley Oates. Meredith streckte in der Dunkelheit die Hand aus und streichelte ihm mit den Fingerspitzen über den Rücken. Die nackte Haut fühlte sich feucht an. Die Federbetten waren zu warm für den Sommer. Er drehte sich zu ihr um und sagte auf den Ellbogen gestützt:
»Diese Sache hat dir den Jahresurlaub verdorben. Ich bin mir dieser Tatsache durchaus bewusst. Es tut mir Leid, Meredith.«
»Wie schon gesagt, es ist nicht zu ändern. Ich werd’s überleben.« Er beugte sich über sie und küsste sie.
»Ich danke dir jedenfalls.«
»Es gibt Dinge, die sind einfach wichtiger«, antwortete sie und schlang die Arme um ihn.
Denny und Gordon Lowe verbrachten den Samstagabend auf die gewohnte Weise, angefangen mit einem Abendessen gegen achtzehn Uhr dreißig. Später, gegen acht, würden sie in ihre Stammkneipe gehen und dort bis gegen zweiundzwanzig Uhr schweigend vor sich hin trinken.
Gordon war Koch und Haushälter in ihrer spartanischen Gemeinschaft. Die Lowes waren nicht arm. Sie waren beide Junggesellen, hatten beide eine feste Anstellung und verdienten darüber hinaus ein wenig Geld nebenher, von dem das Finanzamt nichts wusste. Sie lebten in einem Cottage, das ihr Vater gegen Ende des letzten Krieges für einhundert Pfund gekauft hatte.
Gordons Vorstellung von Haushaltsführung stammte noch von seiner Mutter, und diese hatte sie von ihrer Mutter übernommen und jene aller Wahrscheinlichkeit nach wiederum von ihrer Mutter. Nichts hatte sich geändert, während die Prinzipien von einer Generation auf die nächste vererbt worden waren. Es waren die Prinzipien einer besitzlosen städtischen Arbeiterklasse. Hinzu kam ein vererbtes Zögern, Geld auszugeben, selbst wenn es vorhanden war, aus
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