Kerzenlicht Für Eine Leiche
weil er es mochte«, sagte Margaret kühl.
»Nicht wegen seines Wertes.«
»Sicher. Mir gefällt es auch!« Lars zeigte sich ungerührt.
»Und dieses Zertifikat, direkt daneben?«, fragte Markby beiläufig.
»Was? Oh, gütiger Gott! Das stammt aus meiner Kindheit. Ein Piano-Examen.«
»Es ist dein Abschlusszeugnis!« Margarets Stimme hatte an Schärfe gewonnen.
»Lars war ein viel versprechender Pianist, müssen Sie wissen. Als er anfing, sich für Politik zu interessieren, fand er keine Zeit mehr zum Üben!«
»Meine Mutter ist sehr musikalisch«, erklärte Lars.
»Spielen Sie auch, Mrs. Pritchard?«, fragte Mrs. Walcott unschuldig.
»Leider nein, fürchte ich. Aber ich gehe gern in die Oper.«
»Oh, die Oper? Wie hübsch. Zu schade, dass Sie nicht spielen«, murmelte Evelyne.
»Wenn Sie die Musik doch so sehr lieben.« Meredith erwärmte sich augenblicklich für Mrs. Walcott. Man soll kleine unansehnliche Frauen niemals unterschätzen. Sie konnten jede Gesellschaft gründlich auf den Kopf stellen, wenn ihnen danach war, und genau das hatte Mrs. Walcott soeben getan. Die hochnäsige Angie Pritchard hatte einen tadellosen Dämpfer erhalten. Es ist unmöglich zu übersehen, dachte Meredith, dass hier über Allianzen entschieden wird und Kampflinien gezogen werden. Alles war genau wie in dem Spiel
»Diplomacy«. Die Spieler schoben sich zwar keine diplomatischen Noten zu, doch die Botschaften waren da. Evelyne Walcott stand, genau wie Oscar, loyal zu Margaret Holden. Major Walcott wurde erfolgreich von Angie eingenommen – was sich allerdings leicht wieder ändern konnte, sobald die Walcotts später wieder zu Hause waren.
Angie warf ihr Netz nicht nur über den Walcotts aus. Als Meredith später am Abend aus dem Schlafzimmer kam, das für die Damen als Umkleideraum bereitgestellt worden war, fand sie Angela Pritchard oben auf der Treppe. Vermutlich hatte Lars Holdens Verlobte dort auf sie gewartet.
»Alles zu Ihrer Zufriedenheit, Meredith?«
»Oh, sicher. Danke sehr. Ein wunderschönes altes Haus.«
»Ja, nicht wahr?« Angie lächelte ihr zu.
»Haben Sie schon alles gesehen?«
»Nein, aber vielleicht sollten wir …« Es war nicht zu übersehen, dass Meredith durch das Haus geführt werden sollte. Doch Angie Pritchard, auch wenn sie Lars Holdens Verlobte war, war noch lange nicht die Hausherrin von Old Farm. Es stand ihr nicht zu, einer Fremden Margaret Holdens Heim zu zeigen.
Angie ließ Meredith nicht ausreden.
»Dann lassen Sie mich Ihnen wenigstens die geheime Kapelle zeigen.« Es klang zu verlockend, als dass Meredith hätte ablehnen können. Angie führte sie durch einen Korridor und um eine Biegung. Dort blieb sie vor einem alten hohen Holzschrank stehen. Zur Linken führte eine schmale Treppe in einen dunklen Bereich des Hauses hinunter. Früher einmal hatten sich Bedienstete über diese Hintertreppe gequält. Angie öffnete den Schrank. Vor ihnen hing eine Stange mit Winterkleidung, die für die Sommermonate in Schutzhüllen aus Plastik steckte. Ein schwacher Geruch nach Mottenkugeln drang aus dem Schrank. Angie grinste Meredith verschwörerisch zu und schob die Kleidung zur Seite. Dahinter, in der Rückwand des Schranks, wurde eine weitere Tür sichtbar. Sie führte in einen sehr kleinen, fensterlosen Raum mit einer einzelnen Glühbirne an der Decke, die Angie in diesem Augenblick einschaltete. Es musste einer der ältesten Teile des Gebäudes sein. Die Decke war ein Gewölbe, das in anderen Zimmern der Etage hinter einer abgehängten Decke verborgen war, und zeigte verblasste Reste von Fresken. Meredith erkannte Blätter und die Umrisse zweier Gestalten. Bei der Installation der elektrischen Lampe war ein Teil des Putzes zerstört worden, ein unverzeihlicher Akt von Bilderstürmerei.
»Adam und Eva!« Angie zeigte zu den verblassten Gestalten hinauf.
»Im Garten Eden, kurz vor der Vertreibung. Dort drüben kann man den Arm des Erzengels sehen, mit dem Flammenschwert in der Hand. Der Körper des Engels wurde entweder abgekratzt oder ist heruntergefallen. Es war alles unter weißer Farbe versteckt, doch Lars hat es wieder freigelegt. Er interessiert sich für Geschichte, wissen Sie? In Tudor-Zeiten gehörte das Haus einer Familie, die der Alten Religion anhing. Das blieb so durch die ganze Stuart-Zeit hindurch bis hin zum Commonwealth, als Puritaner das Haus in Besitz nahmen, ohne die kleine Kapelle je zu entdecken. Die Familie starb in der georgianischen Zeit aus, und das Haus
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