Kesseltreiben
Hausfrau.
Eheschließung: 19. Mai 1957.
Beide Eheleute verstorben am 13. März 1976, in Kessel beigesetzt am 18. März 1976.
Wohnhaft: Kessel, Seeweg 2.
»Sie haben nicht zufällig einen Kopierer in Ihrem Pfarrbüro?«, fragte Schnittges.
»Doch, natürlich. Kommen Sie mit.«
Schnittges hatte die Kopien aus den Kesseler Kirchenbüchern an die Tafel gehängt.
»Wenn Finkensieper nur auf der Suche nach seinen Verwandten war, warum hat er dann so ein Geheimnis daraus gemacht?«, fragte Penny. »Ich kann das nicht verstehen.«
Weiter kam sie nicht, denn in diesem Augenblick betrat Toppe das Büro.
»Ich komme gerade vom Gocher Standesamt«, berichtete er. »Mir ist nämlich letzte Nacht eingefallen, dass Finkensieper in Goch geboren wurde.«
Cox brach der kalte Schweiß aus. Wie hatte er das übersehen können? Es war seine Aufgabe als Aktenführer, auf solche Details zu achten.
»Ein Sebastian Finkensieper ist dort am 26. Juni 1980 nicht geboren worden«, fuhr Toppe fort, »wohl aber ein Sebastian Friedrich Maas. Seine Mutter ist eine gewisse Sabine Maria Maas, wohnhaft in Kessel, Seeweg 2. Der Vater ist unbekannt.« Er setzte sich. »Hatte Finkensieper seinem Chef nicht erzählt, er brauche Urlaub aus familiären Gründen?«
Bernie Schnittges zeigte auf die Tafel. »Ich habe heute früh mit dem Kesseler Pfarrer gesprochen.«
Toppe stand wieder auf und betrachtete die Kopien.
»Gute Arbeit, Bernie.«
»Mein Gott«, flüsterte Ackermann, »die Kinderhex!«
Alle schauten ihn an, aber das merkte er nicht. »Sabine Maas, genau …«, nickte er. »Dat muss 1984 gewesen sein …«
»Jetzt red schon!«, fuhr van Appeldorn ihn an.
»Mach ich ja, Norbert, ich muss mich doch erst ma’ besinnen. Dat war ‘ne ganz furch’bare Geschichte damals. Sabine Maas … , die hat ‘n Kind ermordet … , in Kessel am Baggerloch. Einen kleinen Jungen. Sabine Maas … , stimmt, so hieß die. War selber noch jung, und ich mein auch, die hätte selbs’ ‘n Kind gehabt. Im Dorf wurd’ die immer nur die ›Kinderhex› genannt, weil die so wat Ähnliches war wie der Rattenfänger von Hameln. Hatte immer alle Dorfblagen bei sich versammelt. Ich glaub, die hatte keine Eltern mehr, die waren wohl zusammen im Auto verunglückt.«
»Das erklärt das gemeinsame Todesdatum«, warf Schnittges ein, »13. März 1976. Weißt du noch mehr?«
Ackermann schloss die Augen. »Die hat dat Kind mit ‘ner Plastiktüte erstickt. Un’ soviel ich weiß, is’ die für fuffzehn Jahre in den Bau gegangen.«
»Sebastian Finkensieper war also in Wirklichkeit Sebastian Maas«, sagte Penny leise. »Seine Mutter muss ihn zur Adoption freigegeben haben, als sie ins Gefängnis kam.«
Schnittges überlegte. »Das erklärt dann auch, warum es in Finkensiepers Album keine Babyfotos gibt. 1984, hast du doch gesagt, Jupp. Das könnte stimmen. Auf den ersten Bildern ist der Junge etwa vier, fünf Jahre alt.« Dann fiel ihm etwas anderes ein. »Die Adresse kann nicht richtig sein. Seeweg 2, das ist ein brandneues Haus an der Ecke vom Klosterweg. Am Seeweg stehen doch nur neuere Häuser.«
»Doch, das kann schon stimmen«, entgegnete van Appeldorn. »Elbers von der Autowerkstatt konnte sich erinnern, dass der Seeweg früher länger war, zum Wald hin, und dass dort in den Siebzigern noch ein Haus gestanden hat, wo heute der Angelsee ist. Aber das müsstest du doch eigentlich wissen, Jupp.«
»Dat weiß ich auch.« Ackermann war puterrot geworden. »Da bin ich bloß nich’ so besonders stolz drauf. Damals sind wir nämlich alle nach Kessel gefahren, weil wir gucken wollten, wo et passiert is’ un’ wo die Mörderin wohnt. Et is’ schon richtig. Da, wo heut’ dat renaturierte Baggerloch is’, stand früher ‘n Gehöft, un’ da hat die Maas gewohnt.«
»Und das Haus ist abgerissen worden, als man mit dem Baggern angefangen hat?«, hakte van Appeldorn nach.
»So is’ et.«
»Gehörte das Grundstück Sabine Maas?«
»Keine Ahnung.«
»Dann werde ich mal anfangen zu telefonieren.« Man hörte, dass Cox sauer auf sich war. »Das Amtsgericht wird uns etwas über die Adoption erzählen können, und es schadet auch nicht, wenn ich noch einmal mit unserem Kollegen in Radevormwald rede.«
»Gut«, sagte Toppe. »Und findet heraus, was aus Sabine Maas geworden ist. Wenn sie hier in Kleve verurteilt wurde, ist sie ins Frauengefängnis nach Anrath gekommen. Und sie muss schon lange wieder auf freiem Fuß sein. Selbst wenn sie die vollen fünfzehn
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