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Kesseltreiben

Titel: Kesseltreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leenders/Bay/Leenders
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Marmelade und Chutneys. Das alles ist eine große Freude für mich, und die anderen helfen, wenn sie zu Hause sind, auch gerne mit. Alle, bis auf Kai. Der ist jetzt schon morgens so zugedröhnt, dass er nichts mehr auf die Reihe bringt. Oder er baut irgendeinen Scheiß, wie zum Beispiel hinter der Scheune eine Hanfplantage anzulegen. Ich habe das ganze Zeug sofort untergegraben. Die Bullen haben uns wegen »Stop Kalkar « sowieso schon auf dem Kieker.
     
    Die Vorbereitungen für die Demo laufen auf Hochtouren. Wir erwarten AKW-Gegner aus ganz Deutschland, sicher Tausende. Bei uns in der Gegend spielen die Leute verrückt. In der Zeitung steht was von Chaos und dass sich die Einwohner von Kalkar in ihren Häusern verbarrikadieren wollen. Sogar im Fernsehen wird berichtet, man warnt vor Kommunisten und Randale. Aber das hilft ihnen alles nichts. Schließlich gibt es bei uns Demonstrationsfreiheit, und das Land hat die Veranstaltung genehmigen müssen.
    Am AKW haben sie tatsächlich Wassergräben ausgehoben und Betonzäune gezogen, rund um das ganze verdammte Ding. Die »Schutzanlage« soll zehn Millionen Mark gekostet haben. Die sind alle verrückt!
    Die ganze WG will mit zur Demo, und ich habe für alle Fahrräder gekauft. Außerdem bin ich günstig an einen gebrauchten Bully gekommen, der ist super, und jetzt haben wir Platz, wenn wir mal alle zusammen was machen wollen.
     
    Ich hatte einen Riesenkrach mit Kai. Er war am Freitag mit dem Bully nach Nimwegen gefahren, um neuen Stoff zu kaufen (ich habe keine Ahnung, woher er das Geld dafür hat), und kam einfach nicht wieder. Erst Samstagabend, als ich gerade beim Melken war, tauchte er wieder auf Grinst nur und sagt, er hätte sich einen Schuss gesetzt und wäre total weg gewesen. Er wollte das mal ausprobieren, und es sei das Größte, was er je erlebt hat.
    Ich bin total ausgeflippt. Wenn er das noch einmal macht, kann er seine Klamotten packen. Da ist er ganz schön erschrocken, hat gemeint, er hätte die Sache im Griff, ich würde schon sehen.
     
    Kai hat schon vier Tage nichts mehr geraucht, und er ist total süß, fast so wie früher, zärtlich und lieb. Er hat sich sogar endlich zeigen lassen, wie man Flora melkt, und will das jetzt ganz übernehmen. Das ist wirklich eine Entlastung für mich, wo ich jetzt die ganze Einweckerei am Hals hab.
     
    Nur noch drei Tage bis zur Demo. Der Ministerpräsident warnt in der Zeitung davor, an der Demo teilzunehmen, denn es bestehe die Gefahr, dass es zu Gewaltausschreitungen kommt. Durch die Blume kündigt er an, dass die Bullen es uns schon zeigen werden.
    Gestern habe ich einen Zeitungsartikel entdeckt mit der Überschrift: »Die Front richtet sich ein«. Als ob das hier ein Krieg wäre, furchtbar.
    Wir haben gehört, dass die schon heute Autos um Kalkar herum anhalten und nach Waffen durchsuchen. Ronald, der auf dem Schrottplatz gewesen war, haben sie alle Stangen und anderes Eisenzeug, das er für eine Skulptur brauchte, einfach abgenommen.
     
    Ich zittere immer noch am ganzen Körper.
    Um halb fünf heute Morgen bollert es an allen Haustüren, vorne, an der Seite und hinten an der Tenne. Zig Bullen stürmen herein in voller Montur mit Maschinengewehren, draußen Panzerwagen, und treiben uns in der Küche zusammen. Dabei sind sie nicht zimperlich, stoßen und schubsen uns. Ich hätte mir fast in die Hosen gemacht. Sie haben den ganzen Hof nach Waffen auf den Kopf gestellt, und als sie die alte Schrotflinte von meinem Vater gefunden hatten, wurden sie richtig fies und haben alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war. Als sie sich meine Gartengeräte gekrallt haben, habe ich dann doch protestiert und gefragt, wie ich denn meine Arbeit erledigen soll ohne Spaten und Hacke. Aber sie haben mich nur angeschnauzt: Könnte ich mir alles übermorgen wieder abholen.
    Dasselbe Spiel haben die bei allen WGs am Niederrhein durchgezogen, wie wir erfahren haben. Gottverdammter Polizeistaat!
     
    Es war uns ja klar, dass die Bullen rund um Kalkar alles absperren würden, deshalb hatte ich uns ja auch die Räder besorgt. Wir sind in aller Herrgottsfrühe los – getrennt – und über Nierswalde, Pfalzdorf, Moyland und Till gefahren, alles auf Schleichwegen, und deshalb sind wir trotz der Sperren auf den Straßen auch prima durchgekommen. So gegen halb neun haben wir uns dann auf dem Markt wieder zusammengefunden. Auf den ersten Blick hatte das Ganze was von einem Volksfest, da wurden Würstchenbuden aufgebaut, die Leute

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