Ketaria - Die Liebe des Verfluchten (German Edition)
Lucia gar nicht vor Ricardo Angst hatte, sondern vor dem was ihr Meister tun würde. Albinus hatte ein Problem mit Autorität, er hasste es klein beigeben zu müssen. So sehr er nach außen hin so tat, als ob er dem König mit Freude dienen würde, die Demütigung durch Ricardo würde er nicht vergessen. Sie hätte darauf gewettet, dass er schon jetzt an einem Plan feilte, wie er den Einfluss der Gilde gegen Ricardo verwenden konnte. Aber sie verzichtete darauf, es Julia zu erzählen, denn sonst hätte die sich auch noch Sorgen gemacht. Da das Bankett die ganze Nacht dauern sollte, hatte Julia sie schließlich am Nachmittag wieder in das Schlafzimmer gebracht, damit sie sich noch mal hinlegen konnte. Sie hatte ihr erklärt, Ricardo und damit auch Lucia würden erst gegen Mitternacht zu den anderen stoßen, als Höhepunkt des Festes sozusagen. Hingelegt hatte Lucia sich zwar, aber sie hatte sich mehr herumgerollt als geschlafen, also war sie schon wach, als ein Dienstmädchen jetzt das Zimmer betrat. Sie setzte sich auf und sah ihr entgegen. Das Mädchen hatte ein Tablett bei sich. Sie stellte es auf dem kleinen Tisch im Zimmer ab und verbeugte sich dann vor Lucia. Sie sagte: „Die Königin schickt euch diese Kleinigkeit. Ich komme in einer Stunde wieder, um euch bei dem Kleid zu helfen.“ Sie sah Lucia erwartungsvoll an. Lucia fühlte sich wie in einem Traum, sie hatte noch nie Dienstboten gehabt.
Als das Mädchen noch immer keine Anstalten machte, zu gehen und sie immer noch ansah, sagte sie rasch: „Du kannst gehen.“ Das Mädchen verbeugte sich noch mal und verließ das Zimmer. Lucia seufzte, wie konnte man bloß so leben? Sie würde schon an Verfolgungswahn leiden, wenn ständig jemand in ihrem Schlafzimmer aus und eingehen würde. Die stand auf, um das Tablett näher zu betrachten. Es war mit einem Krug Wein und ein paar Häppchen bestückt. Ein ironisches Lächeln glitt auf ihre Lippen, sie trank sonst kaum etwas, aber jetzt konnte sie den Wein gut gebrauchen. Sie schenkte sich einen Becher ein und nahm einen Schluck. Der süße Geschmack füllte ihren Mund aus und wurde zu Wärme in ihrem Magen, als sie ihn schluckte. Sie sank, mit dem Becher in der Hand, auf den Sessel, der bei dem Tisch stand. Sie musste morgen mit Albinus reden und versuchen ihn milde zu stimmen. Das würde nicht einfach werden, aber damit würde sie sich nach dem Bankett beschäftigen. Im Moment war sie ohnehin viel zu nervös, um klar denken zu können. Bei Ricardo, Julia und auch Sandro fühlte sie sich inzwischen ziemlich wohl, aber der Gedanke an all die Höflinge heute am Bankett, ließ ihren Magen revoltieren, rasch trank sie noch einen Schluck Wein.
Als das Mädchen eine Stunde später zurückkam, war sie wenigstens halbwegs ruhig. Sie hatte das blaue Kleid mitgebracht und legte es aufs Bett. Lucia überlegte, das Mädchen wegzuschicken, entschied sich aber dagegen, sie würde Hilfe bei ihrem Haar brauchen. Seufzend schlüpfte sie aus dem Nachthemd, das Julia ihr geborgt hatte. Das Mädchen nahm das Kleid und zog es ihr über den Kopf. Nur mit Mühe unterdrückte Lucia ein Stirnrunzeln. Was war das nur für ein Leben, in dem man sich nicht mal alleine anzog? Die Dienerin schloss die Verschnürungen am Kleid und umrundete Lucia dann, um ab und zu an ihr herumzuzupfen. Als sie damit fertig war, trat sie zu dem Frisiertisch, der ebenfalls in dem Zimmer stand, und sah Lucia auffordernd an. Lucia ging zu ihr und nahm am Stuhl vor dem Tisch Platz. Der Tisch war mit einem großen Spiegel ausgestattet. Sie beobachtete, wie das Mädchen ihr erst das Haar kämmte und dann geschickt eine Strähne nach der anderen hochsteckte, bis Lucia eine elegante Hochfrisur hatte. Nur ein paar Strähnen hatte sie lose gelassen, die drapierte sie jetzt mit einem heißen Stab in lockeren Wellen, die sich mit ihrer aschblonden Farbe optisch wirksam von dem blauen Stoff des Kleides abhoben. Dann nahm sie einen Tiegel zur Hand und färbte Lucias Lippen in einem zarten Rose. Lucia starrte sich ungläubig an, sie konnt kaum glauben, dass das immer noch sie war. Aus dem Spiegel sah ihr eine elegante Fremde entgegen. Das Mädchen war einen Schritt zurückgetreten und besah sich ihr Werk zufrieden.
Es war knapp vor Mitternacht, Zeit Lucia abzuholen. Er stand vor ihrer Tür und klopfte. Er hatte Julia nicht mehr gesehen, weil sie natürlich mit Sandro schon am Bankett war, also konnte er nur spekulieren, in welchem Zustand sich Lucia befinden mochte. Er sollte
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