Ketten der Liebe
Rot und Gold gekleidet von ihren Hochzeitsgeschenken umgeben war und ihren Bräutigam erwartete.
Karim ging zu ihr, hob den roten Schleier an, der über dem Kopf und Gesicht des Mädchens lag, und starrte in ein Paar kalter, grauer Augen. Man hatte ihr Alter mit fünfzehn angegeben, aber Karim hatte das Gefühl, ein älteres Mädchen anzusehen, obwohl der bedeutende Anlaß sie vielleicht erwachsener wirken ließ. »Ich grüße Euch, Hatiba, meine Frau«, sagte er höflich.
»Ich grüße Euch, Karim ibn Habib«, erwiderte sie. Ihre Stimme war leise und klangvoll, aber völlig gefühllos.
Der Mann und die Frau trennten sich, und die Feier begann. Wein, Kuchen, Obst und andere Süßigkeiten wurden gereicht. Das traditionelle Frauenorchester spielte auf. Die Frauen tanzten miteinander. In ihrem Teil des Gartens wurden die Männer von verführerischen Tänzerinnen unterhalten.
»Sie ist hübsch«, sagte sein Bruder Ja'far, während sie die Tänzerinnen betrachteten. »Berbermädchen sind sehr ruhig. Wenn sie erst mal einen Sohn von dir bekommt, kannst du dir ein exotisches, kleines Ding mit mehr Temperament suchen und deinen Harem gründen. Bedenkt man, wieviel Erfahrung du hast, müßten deine Frauen eigentlich die glücklichsten von ganz Malina sein.« Er grinste und gab seinem jüngeren Bruder einen freundlichen Stoß in die Rippen.
»Ihre Augen sind so kalt wie Silber«, antwortete Karim. »Ich begrüßte sie als meine Frau, aber sie redete mich nicht als ihren Ehemann an. Sie will mich nicht zum Mann, egal was ihr Vater dem Imam gesagt hat. Mein Schwiegervater ist ganz offensichtlich gierig auf den Brautpreis, den ich für das Mädchen bezahlt habe, aber er soll ihn nicht zurückbekommen, denn egal was passiert, ich werde mit Hatiba verheiratet bleiben.«
»Sei doch nicht so grimmig«, riet ihm sein Bruder. »Sie hat nur Angst, wie alle Jungfrauen. Bis zum Sonnenaufgang wird sie warm und entspannt sein, Karim. Ich muß dir doch wohl nicht beibringen, wie man eine hübsche Jungfrau verführt, kleiner Bruder.« Er lachte. Dann erhob Ja'far seinen Kelch und trank seinen Wein aus. Seine Augen verirrten sich zu der Tänzerin mit dem üppigen Busen, die sie unterhielt.
Am späten Nachmittag wurde die Braut in ihre Sänfte geleitet und in einem Prunkzug zum Heim ihres Mannes außerhalb der Stadt gebracht. Karim führte die Gäste die mit Rosen bestreute Straße entlang.
Er ritt auf einem weißen Hengst, den sein Schwiegervater ihm als Hochzeitsgeschenk gegeben hatte.
Musikanten begleiteten den Hochzeitszug. Der Bräutigam warf den jubelnden Zuschauern auf dem Weg Golddinare zu. Als sie Karims Villa erreichten, reichten die Haushaltssklaven unter Mustafas Anweisungen den Gästen Erfrischungen. Wenig später gingen sie und ließen die Jungvermählten allein, um sich kennenzulernen.
Karim gab seiner Braut eine Stunde Zeit, bevor er ihre Gemächer betrat. Vor den Fenstern ihres Zimmers versank die Sonne im westlichen Meer. »Ihr könnt gehen«, sagte Karim zu den Sklavinnen, die sich um die Braut drängten.
»Ihr werdet alle bleiben«, sagte Hatiba scharf. Die Sklavinnen sahen verwirrt und unsicher aus.
Karim schnippte mit den Fingern. »Ich bin der Herr in diesem Haus, Hatiba.« Die Sklavinnen eilten geschwind aus dem Gemach ihrer Herrin.
»Wie könnt Ihr es wagen, meinen Dienerinnen Befehle zu erteilen!« schrie sie ihn an.
»Ich sage es noch einmal, Hatiba, ich bin der Herr in diesem Haus. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Euer Vater Euch in seinem Haus ein so unbeherrschtes Benehmen gestattet hat. Ich werde annehmen, daß Ihr Euch fürchtet. Dazu gibt es aber keinen Grund.« Er trat einen Schritt auf sie zu, doch zu seiner Überraschung erschien wie durch Zauberkraft ein kleiner Dolch in ihrer Hand.
»Kommt keinen Schritt näher, oder ich werde Euch umbringen«, sagte sie leise.
Mit einer schnellen Bewegung ergriff Karim das Handgelenk seiner Frau und entriß ihr die Waffe. Er blickte sie an und lachte verächtlich. »Damit hättet Ihr nicht einmal eine Orange umbringen können, Hatiba«, sagte er.
»Die Spitze ist vergiftet«, flüsterte sie.
Er betrachtete die Klinge näher und sah, daß die Spitze wirklich dunkler war. Er seufzte schwer.
»Wenn Ihr diese Heirat nicht wolltet«, fragte er, »warum habt Ihr dann in Allahs Namen zugestimmt?
Oder war es die Entscheidung Eures Vaters, Hatiba?«
»Zum einen konnte er dem Brautpreis nicht widerstehen, Herr«, sagte sie ehrlich. »Soviel hat er für
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