Ketten der Liebe
sie.
Er lachte. »Schon wieder schachmatt, Zaynab«, sagte er.
»Ihr seid mein Freund, Hasdai, und darüber bin ich froh«, meinte sie. »Ihr seid mein Liebhaber, und darüber freue ich mich auch, aber im Augenblick liebe ich Euch nicht.«
»Ich war noch nie verliebt«, gestand er ihr. »Wie ist das?«
»Ihr werdet es wissen, wenn es Euch passiert«, erklärte Zaynab. »Ich kann es nicht richtig beschreiben. Das kann, glaube ich, niemand.«
Ihr Leben fiel in einen Rhythmus, der ihnen beiden zuzusagen schien. Sie war für ihn da, und er verbrachte anscheinend seine gesamte Freizeit mit ihr. Er war so oft bei ihr, daß sich sein Vater beschwerte, sie würden ihn gar nicht mehr zu Gesicht bekommen. Er erzählte Isaak ibn Shaprut nicht, daß der Kalif ihm eine Liebessklavin geschenkt hatte. Sein Vater hätte das nicht verstanden. Er würde nur sagen, daß Hasdai diese Konkubine nicht nötig hätte, wenn er endlich heiraten würde. Statt dessen entschuldigte Hasdai sich und überschüttete seine Eltern mit großzügigen Geschenken. Dann kehrte er zu Zaynab zurück.
Die Monate vergingen. Hasdai ibn Shaprut war völlig in die Übersetzung der De Materia Medica vertieft. Manchmal war er so müde, wenn er nach Hause kam, daß er nur ins Bett fiel und zehn Stunden lang schlief. Ich bin vielleicht nicht deine Frau, dachte Zaynab verschmitzt, als sie eines Abends die Kleidungsstücke aufhob, die er im Zimmer verstreut hatte, aber wäre mein Leben denn wirklich so viel anders, wenn ich es wäre?
Ihr Leben. Sie wurde verwöhnt und hatte keine Sorgen, aber wenn sie nicht ihre Tochter gehabt hätte, hätte sie sich zu Tode gelangweilt. Moraima dabei zuzusehen, wie sie aufwuchs, war faszinierend. Sie hatte die Hautfarbe ihrer Mutter, aber sie ähnelte ihrem Vater bis hin zu der gebieterischen kleinen Adlernase. Selbst wenn niemand es ihr gesagt hatte, und auch wenn Moraima es nicht verstand - sie benahm sich wie eine echte kleine Prinzessin.
Obwohl Zaynab die Stadt seit ihrem Auszug aus dem Harem des Kalifen nicht übermäßig mochte, machte sie gelegentlich Ausflüge nach Cordoba, wenn Moraima ihren Vater im alten Herrscherpalast neben der großen Moschee besuchte. Abra brachte sie zu Abd-al Rahman, während Sheila und Zaynab in Begleitung von Naja auf den Basar gingen oder die Werkstatt einer Seidenstickerei oder einen Silberschmied besuchten. Manchmal gingen sie einfach durch die engen gewundenen Straßen und erforschten die Stadt. Sie wußten nie, was hinter der nächsten Ecke sein würde.
Eines Tages fanden sie einen winzigen Platz, der von weißen fensterlosen Häuserwänden umgeben war. Mitten auf dem Platz befand sich ein steinerner Brunnen. Um den Rand des Brunnens standen Töpfe mit bunten Blumen. Es gab zwischen den Häusern und der Straße einige offene Gärten mit blühenden Damaskusrosen, Orangenbäumen und grün glänzender Myrte. Selbst an solch heißen Tagen schien der versteckte Platz kühl und sehr friedlich zu sein.
An einem anderen Tag besuchte sie die große Moschee. Sie ließ ihre Pantoffeln vor der Tür stehen und lief unter den aufstrebenden Bögen einher. Der Duft von Aloe und Ambra erfüllte die Luft und verstärkte die mystische Atmosphäre dieses ruhigen, heiligen Ortes. Zaynab fiel plötzlich auf, daß sie nie zuvor in einer richtigen Kirche gewesen war.
Moraima hatte bereits laufen gelernt. Ihr erster Geburtstag war vergangen. Sie wußte genau, wer in ihrer kleinen Welt wer war. Der Kalif, der nach Abras Worten in sie vernarrt war, hieß Baba. Zaynab war Ma, und ihre Kinderfrau war.
Ah. Abd-al Rahman hatte seiner Tochter ein kuschliges, weißes Kätzchen geschenkt, und man sah die beiden selten einzeln. Zaynab nannte das Kätzchen Schneeflocke.
An einem klaren Frühlingstag kam Hasdai mitten am Nachmittag in die Villa. Das war ungewöhnlich, denn er war so beschäftigt mit der Übersetzung, daß er gewöhnlich erst spät am Abend eintraf. »Ich muß für den Kalifen eine Reise unternehmen, meine Liebe«, berichtete er. »Ich bin vielleicht einige Monate weg.«
»Wo fahrt Ihr hin, Herr?« fragte sie ihn, während sie ihren Dienerinnen ein Zeichen gab, Erfrischungen zu bringen.
»Nach Alcazaba Malina«, antwortete er. »In diesem kleinen Königreich hat sich eine schreckliche Tragödie ereignet. Der Prinz und seine gesamte Familie bis auf einen sind in einer Stammesfehde umgebracht worden. Der neue Prinz von Malina leidet schwer unter dem Verlust seiner Familie. Man schickt mich dorthin, um
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