Ketten der Liebe
versicherte ihr Zaynab mit Tränen in den Augen.
»Baba besuchen?« fragte sie.
»Natürlich wirst du deinen Vater besuchen«, antwortete Zaynab.
»Gut!« sagte Moraima und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Schneeflocke zu.
»Ich glaube, es macht ihr überhaupt nichts aus, daß ich sie verlasse«, weinte Zaynab in Hasdais Armen. »Sie ist wie meine Mutter! Herzlos!«
»Sie ist noch nicht einmal zwei Jahre alt«, erklärte er. »Sie hat gar nicht richtig begriffen, was du ihr gesagt hast, meine Liebe. Es ist besser so. Möchtest du etwa, daß sie weint, wenn du gehst?«
»Nein«, gäbe Zaynab zu, »das will ich wirklich nicht. Ich will nur, daß sie glücklich und sicher ist.«
»Und das wird sie in ihrem eigenen Zuhause auch sein«, erwiderte er.
Sie segelte mit einem größeren Schiff von Cordoba ab, als sie je eines gesehen hatte. Zaynab und Hasdai hatten eine große, luftige Kabine auf dem Deck, während die einhundert Saqalibah unter Deck untergebracht waren. Sie hatten es zwar nicht so luxuriös, aber wenigstens bequem. Sogar Sheila hatte ihre eigene kleine Kabine neben der ihrer Herrin.
In nur kurzer Zeit hatten sie die vielen Meilen auf dem Guadalquivir hinter sich gelassen. Es war Ende Frühling, und alles blühte: die Obstgärten waren rosa, weiß und gelb vor Blüten, in den Feldern wurde das Korn bereits grün. Am zweiten Tag fuhren sie zwischen Feldern mit roten Anemonen und weißen Gänseblümchen hindurch, die sich in der Nachmittagsbrise wiegten.
Sie segelten am frühen Morgen an Sevilla vorbei. Wie Hasdai ihnen berichtete, war das eine maurische Stadt mit schmalen, gewundenen Straßen und niedrigen, weißen Gebäuden, die überall Balkons, Höfe, Gärten und Brunnen hatten. Er versprach ihnen, daß sie auf der Rückkehr aus Ifriquia anhalten würden, um sich die Stadt anzusehen.
»Warum wolltet Ihr, daß wir nach Alcazaba Malina fahren?« fragte Sheila ihre Herrin, als sie eines Tages an einem geschützten Fleckchen an Deck saßen. »Hofft Ihr darauf, Karim zu treffen?«
»Nein«, antwortete Zaynab. »Karim ist jetzt verheiratet. Es hat keinen Zweck, ihn zu besuchen. Aber vielleicht könnten wir deinen Alaeddin finden, Sheila. Würdest du nicht gerne heiraten und Kinder haben? Mein Leben ist bequem und kaum aufregend. Ich werde keine anderen Kinder mehr bekommen. Hasdai will keine. Ich muß dieses Schicksal annehmen, aber du brauchst das nicht, Sheila.
Ich kann dich freilas sen, meine liebe Freundin, und ich möchte, daß du glücklich bist. Was hätte ich in den letzten Jahren gemacht, wenn du mich nicht ermutigt und getröstet hättest? Gestatte mir, dich freizulassen und dich heiraten zu lassen. Ich werde dir eine großzügige Aussteuer geben. Es wird Zeit, daß du dein eigenes Leben lebst.«
»Ich weiß nicht«, antwortete Sheila. »Alaeddin und ich haben uns einige Jahre nicht mehr gesehen, Herrin. Vielleicht ist er schon verheiratet, und ich möchte nicht seine zweite Frau werden. Außerdem weiß ich nicht, ob ich ihn noch liebe, das schwarzbärtige, alte Rauhbein. Und wer würde sich um Euch kümmern? Ihr habt Euren Haushalt nie mit einem Schwärm Mägde angefüllt wie andere Frauen. Es waren immer nur ich, Naja und Aida. Die alte Frau, die sich um das Haus kümmert, ist ordentlich und so gut wie unsichtbar. Und waren wir nicht glücklich?«
»Ich werde dich zu nichts zwingen«, sagte Zaynab, »aber laß uns Alaeddin ben Omar ausfindig machen und herausfinden, wie deine Gefühle für ihn sind. Das sollte nicht so schwierig sein. Alcazaba Malina ist nicht besonders groß. Und falls du ihn nicht heiratest, werde ich dir bei unserer Rückkehr nach al-Andalus deine Freiheit geben. Du kannst dann bei mir bleiben, und ich werde dich für deine Dienste bezahlen wie Abra. Was würde sonst mit dir geschehen, falls mir etwas zustößt, Sheila? Ich will, daß du sicher bist. Du bist meine Freundin, und deine Treue bedeutet mir sehr viel.«
Als sie in der Nacht neben Hasdai lag und das sanfte Schaukeln des Meeres sie einlullte, fragte sich Zaynab, ob sie wirklich gemeint hatte, was sie Sheila gesagt hatte. Was wäre, wenn sie Karim doch wiedersehen würde? Würde die Liebe, die sie für ihn empfunden hatte, wiedergeboren werden? Oder war sie gestorben, als er sie dem Kalifen überreicht hatte? Natürlich war nichts so gekommen, wie sie erwartet hatten. Er war nun verheiratet und vermutlich der Vater von ein oder zwei Söhnen. Sie war die Mutter des jüngsten Kindes des Kalifen, obwohl sie
Weitere Kostenlose Bücher