Ketten der Liebe
dünn, und ihr liebliches blondes Haar war schmutzig und verfilzt.
»Zaynab.« Sie ist es wirklich, dachte Iniga, aber wie ist das nur möglich?
Zaynab bemerkte die Verwirrung in Inigas Augen. »Das Badewasser ist noch warm, Iniga. Nimm ein Bad und wasche dich«, befahl sie ihrer Freundin sanft. Dann ging sie zum Ausgang des Zeltes und übergab Inigas zerlumptes Gewand einer der beiden Wachen. »Bringe dies zu Ali Hassan. Sage ihm, daß ich einen sauberen Kaftan für meine Dienerin will. Sie kann schlecht diesen dreckigen zerrissenen Lumpen tragen. Er ist voller Ungeziefer.«
Sie kehrte ins Zelt zurück und kniete sich neben die Wanne, in der Iniga mittlerweile geräuschlos Platz genommen hatte. Ruhig erklärte sie ihr, wie sie nach Malina zurückgekehrt und von Ali Hassan gefangengenommen worden war. Während sie sprach, wusch sie Iniga, die unfähig schien, sich selbst zu helfen. Der Rücken des Mädchens war voller narbenbildender Striemen. »Was ist passiert?« fragte sie Iniga leise und fuhr mit ihrem Finger über einen der Striemen.
»Sie haben mich geschlagen«, antwortete Iniga mit unbewegter Stimme. »Es gibt da einen Mann, der es liebt, mich auszupeitschen, bevor er mich mißbraucht.«
»Du wirst niemals mehr ausgepeitscht werden«, sagte Zaynab sanft. »Es ist noch ein Geheimnis, aber bald wird Karim kommen und uns befreien, Iniga. Ali Hassan denkt, ich würde seine Liebessklavin, aber er wird mich niemals besitzen.« Sie wusch Inigas Haar gründlich und spülte es ab.
»Sie sagten, sie würden meinen Sohn töten, wenn ich ihnen nicht zu Willen sei«, sagte Iniga, während ihre Befreierin sich um sie kümmerte. »Ich bekomme Malik zu sehen, wenn ich artig gewesen bin und ihnen gefallen habe. Die Frau, die sich um ihn kümmert, hält ihn dann in die Höhe, und er winkt mir von der anderen Seite des Lagerplatzes zu.«
»Aber Malik ist nicht hier!« rief Zaynab. »Er ist bei deinen Schwiegereltern in Alcazaba Malina.«
»Nein«, erwiderte das Mädchen störrisch. »Ich sehe ihn doch täglich, Zaynab.«
»Deine Mutter vertraute Malik dem Eunuchen Mustafa an, als Ali Hassan und seine Männer den Harem stürmten. Mustafa versteckte sich mit deinem Sohn in einem Schrank. Als die Banditen verschwunden waren, brachte er Malik zu Ahmeds Eltern, die seitdem für ihn sorgen. Er ist nicht hier!« erklärte Zaynab.
»Aber ich sehe ihn doch!« erwiderte Iniga hitzig.
»Von der anderen Seite des Lagerplatzes aus? Niemals aus geringerer Entfernung?« hakte Zaynab nach.
Iniga nickte langsam.
»Sie haben dich hinters Licht geführt, Iniga, um dich gefügig zu machen«, fuhr Zaynab fort. »Malik ist in Sicherheit, meine Freundin. Du wirst ihnen niemals mehr dienen, wie du es bisher getan hast.«
»Dann kann ich ja sterben«, sagte Iniga mit offensichtlicher Erleichterung.
»Du mußt nicht sterben!« entgegnete Zaynab. »Karim wird bald hier sein und uns befreien. Du wirst nach Hause zu deinem Kleinen zurückkehren, Iniga.«
Iniga schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie. »Schande ist über mich gekommen, Zaynab. Mein Ehemann wurde ermordet, und Fremdlinge haben mich zur Hure gemacht. Mein Leben ist vorüber. Ich bin nicht mehr in Lage, für die Erziehung meines Sohnes zu sorgen. Kein ehrbarer Mann wird mich noch zur Frau nehmen wollen. Mein Sohn braucht jedoch eine Familie, die ihn beschützt und Einfluß auf ihn nimmt. Ich bin eine Außenseiterin unter Außenseitern. Mir bleibt nichts als die willkommene Erlösung durch den Tod.«
»Willst du mich also der Gewalt Ali Hassans überlassen?« fragte Zaynab. »Du mußt mir dabei helfen, ihn in Schach zu halten, bis dein Bruder kommt. Laß mich nicht allein, Iniga. Ich habe dir die Wahrheit gesagt. Schuldest du mir in Erinnerung an alte Zeiten nicht wenigstens ein kleines bißchen Unterstützung?« Allah! Sie hatte Iniga doch nicht befreit, damit sie anschließend Selbstmord beging.
Karim und Hasdai würden das arme Mädchen bei ihrer Ankunft schon zur Vernunft bringen.
»Na gut«, sagte Iniga. »Ich werde vorläufig noch bei dir bleiben, Zaynab. Wärst du nicht gewesen, wäre ich immer noch die Lagerhure und hätte keinen blassen Schimmer von der Wahrheit. Zu wissen, daß mein Kind in Sicherheit ist, wiegt all das auf, was ich in den Händen Ali Hassans zu ertragen hatte.« Sie erhob sich aus der Wanne, nahm das feuchte Handtuch, das Zaynab benutzt hatte, und trocknete sich ab. Das Haar hing naß über ihre zerbrechlichen Schultern.
Der Wächter bahnte sich
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