Ketten der Liebe
schwungvoll den Fluß hinauf zum Hauptdock, wo es sich an die hölzerne Pier schmiegte. Mit wettergegerbten Tauen wurde es am Kai festgebunden. Die beiden Mädchen bekamen große Augen vor Staunen.
»So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen«, sagte Regan.
Morag war der gleichen Ansicht. »Was für ein herrliches Schiff.«
Die alte Erda gesellte sich zu ihnen und bemerkte, was ihr Interesse gefangen hielt. »Das ist die I'timad, das Schiff Karim al Malinas, dem guten Freund unseres Herrn. Uns wurde gesagt, daß er bald eintreffen würde.«
»Was bedeutet I'timad?« fragte Regan die Alte.
»Vertrauen«, antwortete diese. »Ich bereite jetzt besser das Badehaus für den Herrn vor. Er badet gern - eben ein echter Maure. Er wird viele Wochen lang auf See gewesen sein und sich auf süßes Wasser und duftende Öle freuen. Bleibt hier oben, meine Süßen. Ihr werdet Karim al Malina sehen, wenn er die Straße hinauf kommt. Höchstwahrscheinlich wird er von seinem ersten Maat und besten Freund Alaeddin begleitet werden.« Sie kicherte. »Das ist vielleicht ein charmanter Teufel, dieser Alaeddin!« Dann eilte sie fort, um sich um ihre Pflichten zu kümmern, denn Erda war stolz auf ihr Amt.
Sie saßen auf der Mauer und beobachteten die Straße unter ihnen, schwatzten über dies und das und genossen den Frühsommertag. Schließlich kamen zwei Männer in langen, weißen Roben vom Hafen auf das Haus zu. Als sie Donal Righs Anwesen erreichten, blickte einer von ihnen nach oben und warf den beiden Mädchen ein verwegenes Grinsen zu. Regan wandte scheu den Blick ab, aber Morag erwiderte das Grinsen des schwarzbärtigen Mannes mit den funkelnden dunklen Augen. Dann kicherte sie, als er ihr eine Kußhand zuwarf.
»Oh, das ist aber ein forscher Kerl«, sagte sie zu Regan. »Und wahrscheinlich auch ein schlimmer Frauenheld.«
»Woher willst du das wissen?« fragte Regan. »Du hast dein ganzes bisheriges Leben hinter Klostermauern verbracht. Was weißt du denn von Männern?«
»Mutter Una hat immer gesagt, daß ich eher für die Ehe als fürs Klosterleben geschaffen sei«, sagte Morag treuherzig. »Sie wollte einen der Schäfersöhne aus der Umgebung für mich finden. Für je drei Jahre meines Lebens sollte ich eine Silbermünze als Aussteuer erhalten, und außerdem noch einiges an Leinentüchern. Mutter Una sagte, daß ich mit fünfzehn im besten Alter wäre, um zu heiraten. Aber dann wurde sie krank, und Mutter Eubh wollte nichts davon hören. Sie sagte, für die fünf Silberstücke hätte sie eine bessere Verwendung, diese alte Hexe!«
»Mutter Una hat dir erklärt, was sich zwischen Mann und Frau abspielt?« fragte Regan vorsichtig.
»Ja, sie sagte, es sei kein Geheimnis, denn wenn Gott es so eingerichtet hat, dann kann es ja nichts Böses sein«, erklärte Morag. »An schönen Tagen hat sie mir erlaubt, außerhalb des Klosters herumzustreifen. Ich habe einige junge Burschen getroffen, die mir gefallen haben, aber ich bin nicht vom Pfad der Tugend abgewichen, obwohl ich zugeben muß, daß ich ein-oder zweimal in Versuchung war«, beichtete sie mit einem Kichern.
Regan war verblüfft. Morag konnte nicht älter als dreizehn sein, und trotzdem hatte sie keine Angst davor, mit einem Mann zusammenzusein. Natürlich war sie noch Jungfrau. Sie konnte nicht wissen, wieviel Erniedrigung und Schmerz die Lust eines Mannes mit sich brachten, und auch nicht, wie hilflos man sich fühlte, wenn man ihm ausgeliefert war. Regan fragte sich, ob sie es ihr sagen sollte.
Nein. Warum sollte sie dem Mädchen angst machen? Es war unwahrscheinlich, daß sie je die Demütigung erfahren müßte, sich den abscheulichen Gelüsten eines Mannes hingeben zu müssen. Als Dienerin einer Sklavin hohen Ranges würde sie vor solcher Verderbtheit geschützt sein. Sie sollte es nie erfahren, beschloß Regan.
Spät am Nachmittag wurden sie in das Badehaus gerufen. Regan hatte den Eindruck, daß Erda noch mehr Aufwand als sonst mit ihnen trieb. Auf ihren Knien untersuchte die alte Frau Regan sorgfältig nach Spuren ungewollter Körperbehaarung. Dann kämpfte sie sich wieder auf ihre Füße, schaute das Mädchen genau an, drehte sie um und gab ihr schließlich eine kleine Schale mit Petersilie und Pfefferminzblättern.
»Kau sie langsam und sorgfältig«, wies sie Regan an. »Sie werden deinen Atem versüßen, meine Kleine. Du hast gute Zähne und keine Zeichen von Fäule. Du hast Glück. Viel zu viele hübsche Mädchen haben schlechte
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