Ketten der Lust - Erotischer Roman
Eine Kellnerin in einem bestickten Seidenkimono führte sie zu einem langen, lackierten Holztisch nahe am Geländer. Sie stellte eine Kanne mit duftendem Tee und einen kleinen Teller Reis-Cracker und Mandelplätzchen auf den Tisch, noch bevor Karalee ihre Jacke ausgezogen und sich hingesetzt hatte. Das Teehaus war fast leer; nur noch ein weiteres Paar saß am anderen Ende der Terrasse.
Gideon schenkte Karalee Tee ein und reichte ihr den Becher.
»Es ist friedlich hier«, sagte sie und beobachtete die Kois, die träge im Wasser schwammen.
»Ja.« Er trank einen Schluck Tee und spielte mit einem Reis-Cracker, steckte ihn aber nicht in den Mund. »Und?«, sagte er nach einer Weile. »Was an dir verstehst du denn nicht?«
»Wie bitte?«
»Du sagtest im Auto, du verstündest auch nicht immer deine eigenen Beweggründe.«
»Ah. Nun …« Die Frage traf sie unvorbereitet, und es dauerte einen Moment, bis sie ihre Gedanken geordnet hatte. »Na ja, ich glaube zum Beispiel nicht an die Liebe. Ich meine, für mich nicht. Und es kommt mir auch unwahrscheinlich vor, dass sie etwas Dauerhaftes sein soll. Für jeden von uns. Ich weiß wirklich nicht, woher das kommt. Ich meine, ich komme aus einer ziemlich normalen, durchschnittlichen Familie. Meine Eltern sind seit fast vierzig Jahren verheiratet. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass sie sich liebten. Natürlich drücken Menschen das unterschiedlich aus, aber bei ihnen habe ich es einfach nie gesehen. Und ich kenne viele Paare, die genauso sind. Sie existieren in einem lieblosen, leidenschaftslosen Vakuum, und ihre Kinder hoffen trotzdem auf Liebe und glauben daran. Aber ich habe der Liebe immer irgendwie … gleichgültig gegenübergestanden. Das klingt vielleicht jetzt kalt, aber ich habe einfach nie Liebe erfahren, also ich meine, romantische Liebe.
Allerdings glaube ich nicht, dass ich dadurch traumatisiert bin. Ich habe einfach nur ein bestimmtes Glaubenssystem entwickelt. Nein, Unglaube ist der bessere Begriff. So viele Leute werden geschieden, und mir erscheint ewige Liebe einfach nicht realisierbar. Letztendlich sind wir alle allein, ob wir nun in einer Beziehung sind oder nicht, findest du nicht auch?«
Sie blickte ihn an. Er hatte finster das Gesicht verzogen, und seine Augen waren dunkel und unergründlich.
»Gideon? Habe ich was Falsches gesagt?«
Er wandte sich ab und blickte in den Garten. »Es gibt die Liebe, Karalee«, sagte er gepresst.
Das war das Letzte, was sie von ihm erwartet hätte. Es schockierte sie irgendwie. Und ihr wurde klar, dass unter seinem glatten Äußeren ein Schmerz steckte. Er verbarg etwas. Es dauerte einen Moment, bis sie wieder sprechen konnte. Sie räusperte sich.
»Es tut mir leid, Gideon«, sagte sie.
Er schüttelte den Kopf, als wollte er die düstere Stimmung abschütteln. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sagte er. »Ich wollte nicht so barsch zu dir sein.«
»Und ich wollte die Liebe nicht so in Bausch und Bogen abtun. Vielleicht habe ich ja auch Unrecht. Ich wollte dich nicht kränken.«
Er schwieg einen Moment lang. »Lass uns nicht mehr darüber sprechen.«
Er legte seine Hand über ihre, drehte sie um und fuhr mit einem Finger über die Innenseite ihres Handgelenks. Sie wusste nicht, was gerade passiert war, war aber ganz froh, dass sie das Thema nicht weiter verfolgten. Sie genoss die süßen Schauer, die seine Berührung in ihr auslösten.
Sie tranken ihren Tee, redeten über die Arbeit und aßen die Plätzchen. Der Nebel lichtete sich nicht, der Himmel war schwer und grau, aber Karalee hatte das Gefühl, im Teehaus wie unter einer schützenden Hülle zu sitzen. Am liebsten wäre sie sitzen geblieben, als er vorschlug, aufzustehen und ein wenig spazieren zu gehen. Aber dann folgte sie ihm, weil sie sich nur in seiner Nähe so wohlfühlte.
Was zum Teufel bedeutete das denn?
Ach was, heute wollte sie nichts in Frage stellen. Sie wollte einfach alles genießen. Auch Gideon.
Sie schlenderten durch den Park, blieben stehen, um den riesigen Bronze-Buddha zu bewundern und Pennys in den Wunschbrunnen zu werfen. Überall duftete es nach Eukalyptus, Pinien, Wacholder und frischem Gras. Sie stiegen die steilen Stufen zur Pagode hinauf, dem höchsten Punkt im Park, dann den schmalen Pfad hinunter, der dahinter zu einer Plattform führte, die teilweise von den Ästen der Bäume verdeckt war. Gideon zog sie in eine Ecke und ließ sie über den niedrigen Holzzaun, der das Deck umgab, in den wilden Teil des Parks
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