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Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Titel: Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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nicht mehr stellen, weil Bohr das Gespräch in höchster Erregung abbricht. Die Chance auf eine internationale Verständigung der Physiker ist vertan.
    Er zweifle nicht daran, äußert sich der Gastgeber [www 2 ], dass Heisenberg und Weizsäcker auch in der Absicht nach Kopenhagen gekommen seien, sich nach dem Wohlergehen seiner Familie zu erkundigen und ihre Beziehungen spielen zu lassen, um ihn, den Sohn einer Jüdin, nach Kräften zu schützen. Allerdings überwiegt bei ihm das Entsetzen, in dem ehemaligen Schüler und lieben Freund plötzlich den Cheftheoretiker eines deutschen Atomwaffenprojekts zu erkennen. Denn wer wüsste wohl besser als Niels Bohr, was es bedeutet, wenn Werner Heisenberg sich einer Sache annimmt?
    Weizsäcker hielt im März noch eine Reihe von Vorträgen in Kopenhagen, die ausdrücklich mit dem Auftrag verbunden waren, «naturwissenschaftliche Informationen zu Geheimdienstzwecken» aufzuspüren. Und der Deutsche machte tatsächlich Beute, wie er in seinem Bericht stolz aufführt: Sonderdrucke und Manuskripte über die Kernspaltungsforschung in Bohrs Institut sowie Fotokopien relevanter Artikel aus der Physical Review . Bohr hatte Weizsäcker auch auf die Energiegewinnung durch Urankernspaltung angesprochen. In seinem Bericht schreibt Weizsäcker: «Professor Bohr wusste offensichtlich nicht, dass bei uns Arbeiten über diese Frage im Gange sind; selbstverständlich habe ich ihn in seiner Ansicht bestärkt» [Wal 2 :363]. Und jetzt, ein halbes Jahr später, erfährt Bohr von Heisenberg, dass seit Kriegsbeginn in Deutschland an einer Uranmaschine gearbeitet wird, die nuklearen Sprengstoff liefern soll.
    Dauere der Krieg nur lange genug, würde er womöglich von Atomwaffen entschieden werden, soll Heisenberg gesagt haben, ohne Bohr den geringsten Hinweis auf eigene Bemühungen gegeben zu haben, eine solche Entwicklung zu verhindern. Was Bohr besonders schmerzt, ist die Siegesgewissheit, die Heisenberg, vor allem aber Weizsäcker, während ihres einwöchigen Aufenthalts in Kopenhagen verbreiten. Der sensationell erfolgreiche Russlandfeldzug scheint auch ihren Nationalstolz befeuert zu haben. Heisenberg bedauert die Besetzung Dänemarks, doziert jedoch über «die biologische Notwendigkeit des Krieges» und zieht als Antikommunist ein von Hitler beherrschtes Europa als kleineres Übel einer sowjetischen Hegemonie vor. Ohne Rücksicht auf die Gefühle der Dänen, die nichts sehnlicher wünschen als eine Niederlage der Deutschen, zeigen sich die Gäste vom Endsieg Hitlers überzeugt. Deshalb sei auch das Verhalten der dänischen Physiker töricht, die Zusammenarbeit mit den Deutschen zu verweigern, tönt Weizsäcker. Im Auftrag seines Vaters? Haben solche und ähnliche Bemerkungen bei Bohr den Verdacht erregt, Weizsäcker könne Heisenberg instrumentalisiert haben, ihn zur Kooperation mit den deutschen Atomphysikern zu überreden? Oder gar ihn über ein Atomprojekt der Amerikaner auszuhorchen? Dieser Argwohn entspräche Paul Hartecks Einschätzung, Carl Friedrich von Weizsäcker sei ein Intrigant und habe sich nie gescheut, den politisch naiven Heisenberg für seine privaten und politisch motivierten Strategiespiele einzuspannen [Sca 2 :108].
    Die Mitarbeiter des Bohr-Instituts erzählen ihrem Chef, dass Weizsäcker die deutsche Wissenschaft gestärkt aus dem Krieg hervorgehen sehe, zumal Heisenberg, so habe der Freiherr angedeutet, noch einen außerordentlichen Beitrag zum Endsieg leisten werde [www 2 ].
    Werner Heisenberg und Niels Bohr sind erschüttert über das schnelle Scheitern ihrer Kommunikation. Denn aus ihren legendären Gesprächen sind bleibende Schöpfungen hervorgegangen wie die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik. Amateurdiplomat Werner Heisenberg und Wissenschaftsspion Carl Friedrich von Weizsäcker sind jedenfalls schon bei ihren ersten Schritten auf der freien Straße zur Atombombe arg ins Stolpern geraten.
     
    Das Memorandum von Otto Robert Frisch und Rudolf Peierls hat inzwischen Karriere gemacht. Am 27. Oktober 1941 landet ein Bericht der National Academy of Science über die Realisierbarkeit einer Atombombe auf dem Schreibtisch des amerikanischen Präsidenten. Das Papier beruht auf den Berechnungen und der Vorstellungskraft der beiden in England arbeitenden enemy aliens . Es soll Franklin D. Roosevelt dazu bewegen, ein umfangreiches Atomprogramm zu genehmigen. Der 51 Jahre alte Mathematiker und Ingenieur Vannevar Bush hat den ersten Analogrechner zur Lösung von

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