Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Titel: Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
Vom Netzwerk:
Mitarbeiter schleppen die Kisten in Seaborgs Labor im 4. Stock hinauf. Einige sind aufgebrochen, die radioaktiven Urankristalle sichtbar. Seaborg kann den Trägern nur Gummihandschuhe und Laborkittel als Schutz anbieten.
    Die langwierige Extraktionsarbeit mit Manipulatoren, Säuren und Trägerstoffen hinter dicken Bleischilden führt zwei Wochen später zu einem tausendstel Liter – etwa zwanzig Tropfen – eines Präparats aus Plutonium, Kaliumverbindungen und anderen Trägersubstanzen. Ein paar Tage später, am 18. August [Sea:260], liegt nach weiteren Eindampfungen und Konzentrationen die erste Probe reinen Plutoniums in einer winzigen Waage aus Platinfolie. Nach ein paar Stunden an der Luft hat die Substanz «eine rosa Farbe angenommen» [Rho:419]. Und etwa 14 Tage später kann das Team den Bombenstoff auch erstmals wiegen. Er bringt stolze 2,7 millionstel Gramm auf die Quarzfaserwaage [Sea:261]. Die «einfache» Trennung des Plutoniums vom Uran, wie Carl Friedrich von Weizsäcker sie ein Jahr zuvor in seinem Patentantrag noch leichthin vorhersagte, hat sich als eine viel zu optimistische Prognose erwiesen. Nur mit Hilfe der neu entwickelten Ultramikrochemie ist es Seaborg nach wochenlanger Arbeit gelungen, eine winzige Plutoniumprobe zu isolieren.
     
    Rüstungsminister Albert Speer wundert sich über die Beamtenmentalität seiner Atomforscher. Da hat er nach der Junikonferenz die Arbeit des Uranvereins als Grundlagenforschung eingestuft und üppige finanzielle Förderung zugesagt. Doch alles, was sie wollen, sind lächerliche 40   000 Reichsmark und eine Hand voll kriegswichtiger Materialien wie Nickel und Stahl in unbedeutenden Größenordnungen. Speer erhöht, so erinnert er sich, «die Geldsumme auf ein bis zwei Millionen Mark …» [Spe:240]. Am 23. Juni hält sich Speer in der Reichskanzlei auf, um Hitler seine Einschätzung der deutschen Kernenergieforschung persönlich mitzuteilen. Erstaunlicherweise hat der Führer nach Speers Eindruck eine fast mystische Scheu vor Atomwaffen: «Gelegentlich scherzte er darüber, dass die Wissenschaftler in ihrem weltfremden Drang nach Enthüllung aller irdischen Geheimnisse eines Tages den Erdball in Brand setzen könnten» [Spe:240].
    An diesem 23. Juni 1942 ist Robert Döpel zur selben Stunde in Leipzig mit Messungen an seinem Erfolgsreaktor beschäftigt. Die Aluminiumkugel mit einer neuen Schichtenanordnung aus 300 Kilogramm Uranmetall und schwerem Wasser hängt seit drei Wochen in ihrem Wasserbecken. Plötzlich sieht Döpel Wasserblasen aus dem Becken aufsteigen. Da er ein Leck in der Kugel vermutet, hieven er und seine Mitarbeiter die 38er-Maschine aus dem Wasser. Kaum hat Techniker Paschen ein Verschlussventil geöffnet, schießt auch schon brennendes radioaktives Uranpulver aus der Kugel heraus, gefolgt von einer hohen Stichflamme. Die Männer können das Feuer löschen und versenken die Kugel zur Abkühlung wieder im Wasserbehälter. Der herbeigerufene Heisenberg sieht sich den Schaden an. Döpel versichert ihm, alles unter Kontrolle zu haben, sodass er seine Seminarveranstaltung unbesorgt fortsetzen könne. Doch der vermeintlich gekühlte Reaktor wird zunehmend heißer. Der Versuchsleiter beschließt, die Maschine unter Wasser aufzumeißeln. Doch ist es bereits zu spät. Der ins Labor zurückgeeilte Heisenberg sieht gerade noch, wie sich die Kugel im Wasser aufbläht, und flieht mit den anderen nach draußen.
    «Im nächsten Augenblick schossen an mehreren Stellen unter dumpfen Explosionsgeräuschen breite Flammen aus dem Wasser … unter einem Sprühfeuer-Regen [wurde] Uran-Metall bis an die sechs Meter hohe Decke geschleudert» [Sca 1 :120]. Die 400 Kilogramm schwere obere Halbkugel ist mit über hundert Schrauben an der unteren Hälfte befestigt gewesen. Eine der Explosionen hat sie an dieser Trennlinie auseinandergerissen, zur Seite gedrückt und völlig zerfetzt. Das Labor ist verwüstet, und die alarmierte Feuerwehr hat Mühe, «die unzähligen Flammen auf dem verstreuten [Uran]Pulver zu löschen» [Cas:558]. Noch zwei Tage lang schwelen kleinere Uranfeuer vor sich hin, bis alle Reaktionen zum Stillstand gekommen sind. Das Uranmetall ist nur noch eine schlammige Masse, und auch der größte Teil des kostbaren schweren Wassers ist vernichtet.
     
    Inzwischen ist auch Robert Oppenheimer von Bushs Atomkomitee an Bord geholt worden, zu dem Kriegsminister Henry Stimson und Vizepräsident Henry Wallace gehören. Oppenheimer soll sich in Berkeley um

Weitere Kostenlose Bücher