Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
Vom Netzwerk:
Nein.« Ich schüttelte den Kopf. Sicherlich war das bösartiger Klatsch, den der alte Pförtner von den Dienern aufgeschnappt hatte.
    »Meine Frau, Gott sei ihrer Seele gnädig, hatte zehn, und das Letzte hat sie mit zu sich in den Himmel genommen. Glaubt Ihr, ich erkenne die Anzeichen nicht? Sie dürfte Mitte des dritten Monats sein, das arme Mädchen.«
    Mein Kopf schwirrte angesichts des Ausmaßes dieser Enthüllung. Wenn Sophia tatsächlich ein Kind erwartete, war die Furcht, von der sie mir erzählt hatte, noch ernster zu nehmen. Aber wen fürchtete sie, ihren Vater oder den ihres Kindes? War das die Gefahr, von der sie gesprochen hatte?
    »Aber wer – hat sie Euch gesagt, wessen Kind es ist?« Ich hörte selbst, wie Panik in meiner Stimme mitzuschwingen begann.
    »Sie hat mir überhaupt nichts gesagt, Doktor Bruno. Im Gegensatz zu allen anderen hier habe ich die Augen gebraucht, die Gott mir geschenkt hat. Ich habe gesehen, dass sie sich Samstagabend, als die ganzen Universitätsangehörigen bei der
Disputation waren, mit jemandem in der Bibliothek getroffen hat. Zumindest habe ich sie dort hochgehen sehen, und kurz darauf folgte irgendein Bursche.«
    »Wer?«, drängte ich.
    Cobbett zuckte die Achseln. Ein nachdenklicher Ausdruck trat auf sein Gesicht.
    »Er trug einen Umhang mit hochgeschlagener Kapuze. Könnte jeder gewesen sein. Ich weiß, dass er nicht durch das Tor gekommen ist, also muss er sich bereits in der Universität aufgehalten haben, wer immer es auch war.«
    Ich schwieg und zwickte mich mit Daumen und Zeigefinger in den Nasenrücken, während ich versuchte, diese neueste Information mit der ganzen Geschichte in Verbindung zu bringen. Also war Sophia eine der beiden Personen, die Ned in der Bibliothek gehört hatte. Aber wen hatte sie dort getroffen, während die Universität fast menschenleer gewesen war?
    »Weiß ihr Vater Bescheid?«, fragte ich Cobbett.
    »Beliebt Ihr zu scherzen? Ihr Vater würde es kaum bemerken, wenn sie das Kind direkt vor seinen Augen zur Welt bringen würde, und Mistress Underhill ist nicht besser. Wenn Ihr mich fragt, sind sie an allem selbst schuld: Beide haben so getan, als wäre die Welt untergegangen, als der junge John starb. Als würde seine Schwester überhaupt nicht zählen. Wisst Ihr«, er beugte sich vertraulich vor, »ich habe mich ja gefragt, wie sie es verbergen will, wenn sie ihr Korsett nicht mehr schließen kann, und dieser Tag ist gar nicht mehr so fern. Vielleicht ist sie deshalb gerade jetzt fortgelaufen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass Ihr zehn Kinder habt, Cobbett.« Ich blieb an der Tür stehen und sah den alten Mann mit neuem Respekt an.
    »Jetzt nicht mehr«, erwiderte er mit philosophischer Ruhe. »Dem Herrn hat es gefallen, die meisten zu sich zurückzurufen. Zwei Töchter sind mir geblieben, eine ist außerhalb von Abingdon mit einem Bauern verheiratet, und die andere arbeitet als Waschfrau.«

    »Das tut mir leid«, sagte ich bedauernd.
    »Dazu besteht kein Grund, Sir, so ist nun einmal der Lauf des Lebens. Aber über all mein Geschwätz hätte ich es beinahe vergessen – ich habe einen Brief für Euch.« Er zog eine Tischschublade auf und wühlte darin herum, bis er einen gefalteten Papierbogen fand, den er mir reichte.
    Fasziniert drehte ich ihn um. Mein Name war in einer eleganten, unbekannten Handschrift auf die Rückseite geschrieben. Ich öffnete den Brief rasch und sah, dass er in fehlerlosem Italienisch verfasst war.
    »Er hat ihn heute Morgen bei mir hinterlassen«, erklärte Cobbett. »Aber durch all die Aufregung über den armen Doktor Coverdale und diesen jüngsten Vorfall habe ich vergessen, ihn Euch zu geben. Ich bitte um Entschuldigung.«
    Mein Herz wurde schwer, als ich das Geschriebene überflog. In wohl gesetzten Worten wurde ich gebeten, den Unterzeichneten dem französischen Botschafter als Sprachlehrer für seine Kinder zu empfehlen, da er bald heiraten wolle und sein Universitätsposten so schlecht bezahlt sei, dass er keine Frau ernähren könne.
    »Dieser Brief ist von Master Florio?«, fragte ich seufzend, dabei betrachtete ich den unteren Rand des Bogens, der mit so verschnörkelten Initialen unterzeichnet war, dass sie alles bedeuten konnten.
    »’türlich. Steht das nicht darin?«
    Also war das der Brief, den er so verstohlen erwähnt hatte. Florio war demnach nicht der mysteriöse Informant, der mich überhaupt erst auf die Spur des Catherine Wheel gebracht hatte. Eine weitere Sackgasse, ich war mit meiner

Weitere Kostenlose Bücher