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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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glauben, dass jemand etwas so Barbarisches und Blasphemisches tut, und ich wollte auch nicht zugeben, dass meine Predigtauszüge aus Foxes Werken den Mörder dazu inspiriert haben könnten. Aber Ihr habt recht, wir dürfen das nicht länger ignorieren.«
    »Und dieser arme Junge?« Ich betrachtete Neds entstelltes Gesicht. »War er einer von ihnen?«
    »Nicht dass ich wüsste«, wimmerte Underhill, wobei er den Leichnam mit einem flüchtigen Blick streifte und dann rasch den Kopf senkte. »Er stammt aus keiner sehr angesehenen Familie, aber er war einer unserer eifrigsten Studenten. Ich kann mir nicht vorstellen, wer Ned hätte etwas zuleide tun wollen – es ist furchtbar.« Seine Schultern zuckten.
    »Ich glaube, Ned hat etwas gesehen oder gehört, das nicht für seine Augen und Ohren bestimmt war«, meinte ich grimmig. »Habt Ihr die Constables informiert, dass Sophia verschwunden ist.«
    »Nein«, erwiderte er bedrückt. »Es ist noch nicht dunkel, vermutlich habe ich gehofft, dass sie zum Essen oder zumindest vor Einbruch der Dunkelheit zurückkommt. Meine Frau ist zu Bett gegangen; sie ist natürlich überzeugt, dass Sophia tot ist oder irgendwo im Sterben liegt. Sie weiß noch nichts von Ned. Ich versuche, die Dinge sachlich und logisch zu betrachten, aber das ist nicht leicht.« Er holte tief Atem, wie um zu beweisen, dass er fähig war, seine Schwächen zu unterdrücken.
    »Wenn sie morgen früh noch nicht nach Hause gekommen ist, werde ich alles tun, was in meiner Macht steht, um Euch zu helfen, das schwöre ich«, gab ich feierlich zurück. Der Rektor setzte zu einer Antwort an, aber ich hob eine Hand, um ihm das Wort abzuschneiden; ich hatte draußen im Gang ein so leises Geräusch gehört, dass es sich auch lediglich um das Knarren eines Balkens handeln konnte, aber in meinem angespannten
Zustand kam es mir vor wie leichte Schritte auf einer Dielenbohle. Wir warteten ein paar Momente mit angehaltenem Atem, vernahmen jedoch nur das Summen eines Insekts, das gegen die Fensterscheiben prallte.
    »Ich muss mich jetzt in die Hall begeben und die Gemeinschaft von dieser neuen Tragödie in Kenntnis setzen.« Underhill nahm mir das Stundenbuch aus der Hand und verstaute es wieder in seinem Wams. Dann geleitete er mich zur Tür hinaus und schloss sie hinter uns ab. »Wir kommen jetzt nicht umhin, die Constables zu rufen, denn es scheint wirklich so, dass der Mörder mitten unter uns weilt. Aber wenn Ihr befragt werdet, Doktor Bruno, wäre es vielleicht ratsam, die Foxe-Theorie für Euch zu behalten«, fügte er flüsternd hinzu.
    Ich nickte und sah ihm nach, als er die Treppe hinunterstieg, unter einer Last gebeugt, die er, wie ich vermutete, nie wieder würde abschütteln können.
     
    Cobbett hatte die Tür der Pförtnerloge offen gelassen, kehrte ihr den Rücken zu und sortierte Schlüssel in sein kleines Wandschränkchen. Der Raum stank noch immer nach Erbrochenem. Als ich eintrat, spähte er über seine Schulter.
    »Schon wieder ein Todesfall, heißt es«, grunzte er. »Diesmal direkt in der Kapelle. Man hat mich angewiesen, die Tore von nun an immer verschlossen zu halten. War ein guter Junge, dieser Ned, hat immer hart gearbeitet. Wer tut denn so etwas? Ich frage mich allmählich, ob dies alles nicht Teufelswerk ist, Doktor Bruno.«
    »Sophia Underhill.« Ich zog die Tür hinter mir zu. »Habt Ihr gesehen, wie sie heute Morgen die Universität verlassen hat, Cobbett?«
    »Aye«, erwiderte Cobbett unverbindlich, dabei wandte er sich wieder seinen Schlüsseln zu. »Ist in der allgemeinen Verwirrung davongehuscht, direkt nachdem Master Slythurst zum Turm gegangen ist. Als ihre Mutter ein paar Minuten später herunterkam, sagte ich ihr, Mistress Sophia müsse schon vorausgegangen sein.«
    »Und habt Ihr sie zurückkommen sehen?«
    »Nein. Ist sie noch nicht wieder da?«
    »Sie ist den ganzen Tag nicht gesehen worden«, entgegnete ich. »Hat sie Euch gesagt, wo sie hinwollte?«
    »Nein«, versetzte er knapp. »Aber sie wird nicht weit gekommen sein.«
    »Nicht bei diesem Wetter«, stimmte ich zu.
    »Und nicht in ihrem Zustand.«
    Er schlurfte zu seinem Stuhl hinter dem Tisch und sah mich erwartungsvoll an. Ich starrte verständnislos zurück. Mir war, als wäre die Zeit fast zum Stillstand gekommen.
    »Was für ein Zustand? Ist sie krank?«
    Cobbett hob eine Braue, um anzudeuten, was er von meiner Naivität hielt.
    »Kommt schon, Doktor Bruno, so lange wart Ihr doch nicht im Kloster.«
    »Ihr meint, sie …?

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