Ketzer
Schwierigkeiten steckt.«
»Warum sollte sie in Schwierigkeiten stecken, Sir?«, fragte er unschuldig. Ich fand es fast rührend, dass er mich »Sir« nannte, obwohl ich an Händen und Füßen gefesselt war und er mich mit einem Messer bewachte. Als ich keine Antwort gab, runzelte er nur die Stirn und schüttelte den Kopf. »Ich kenne ihre Freunde nicht. Der Einzige, der ihr nahesteht, ist Vater Jerome, aber jeder liebt Vater Jerome. Er hat sie hierhergebracht.«
»Wer ist Vater Jerome?« Ich setzte mich auf, mein Interesse war geweckt. »Ich dachte, Vater William Bernard wäre der hiesige Priester?«
»O nein.« Humphrey war sichtlich stolz, mich an seinem überlegenen Wissen teilhaben lassen zu können. »Seit Vater Jerome da ist, liest Vater William kaum noch die Messe, nur noch, wenn Vater Jerome nicht in der Stadt ist. Er geht ziemlich häufig nach Hazeley Court, wisst Ihr, draußen in Great
Hazeley an der Straße nach London, wo die großen katholischen Familien die Messe hören. Dort ist er vermutlich auch heute Nacht.«
Meine Gedanken überschlugen sich, aber ich bemühte mich, eine unbeteiligte Miene zu wahren, um mich nicht zu verraten.
»Und dieser Vater Jerome – ist er ein Oxfordmann?«
Wieder erfolgte das übertriebene Kopfschütteln.
»Er kommt von der Universität in Frankreich.« Er blickte betreten drein. »Aber das ist ein großes Geheimnis, das ich Euch gar nicht hätte verraten dürfen. Sagt es bitte Master Jenkes nicht, ja?«
»Natürlich nicht. Wie ist Vater Jerome denn?«
Humphreys Gesicht nahm einen träumerischen Ausdruck an.
»Wie – wie ich mir unseren Herrn Jesus vorstelle, wenn er auf der Erde wandeln würde. Er gibt einem das Gefühl – ich kann es nicht erklären –, als ob er einen für einen ganz besonderen Menschen hält, wisst Ihr? Ich verstehe nicht viel von der Messe, ich habe nie etwas aus Büchern gelernt, aber ich liebe es, wenn er sie liest. Ich höre ihn viel lieber als Vater William«, fügte er hinzu. »Wenn Vater Jerome spricht, klingt es wie Musik.« Er seufzte glücklich und spielte mit einer Hand an dem Messer an seinem Gürtel.
»Ist er ein junger Mann?« Ich beugte mich vor und zog mich hoch auf die Knie, um meine verkrampften Beinmuskeln zu lockern. Die Bewegung erschreckte Humphrey, er fuhr zusammen, aber als er sah, dass ich keinen Fluchtversuch unternehmen wollte, sank er wieder gegen die Wand.
»Vater Jerome hat das Gesicht eines Engels«, erwiderte er ehrfurchtsvoll. »Ich habe einmal ein Bild von einem gesehen«, fügte er hinzu, falls ich den Vergleich unberechtigt finden sollte.
»Das Gesicht eines Engels«, wiederholte ich, dabei verhielt ich mich so ruhig wie möglich. Mir war aufgefallen, dass meine Fußfesseln nicht so fest gebunden waren wie die um meine Handgelenke. Wenn ich auf den Fersen kauerte, konnte ich einen Finger in den Knoten schieben. »Erzählt mir doch von
Hazeley Court«, bat ich dann. »Das klingt, als würde es sich um ein großes Haus handeln.«
»Ich habe es nie gesehen, aber es muss sehr schön sein. Sir Francis Tolling, der Besitzer, sitzt in London im Gefängnis, weil er eine private Messe besucht hat, und seine Frau benutzt das Haus, um denen Zuflucht zu gewähren, die derer bedürfen. Mehr weiß ich nicht.«
»Missionarischen Priestern, meint Ihr?«
»Jedem, der den englischen Weinberg beackert und ein sicheres Versteck benötigt.« Er verlagerte nervös sein Gewicht. »Unter den Unsrigen gibt es einen ausgezeichneten Zimmermann, Master Nicholas Owen, er war heute ebenfalls hier, aber Ihr hättet ihn unter seiner Kapuze nicht erkannt. Er hat in allen großen Häusern der Gläubigen zu tun, um geheime Räume einzubauen, heißt es.« Er blickte sich furchtsam nach allen Seiten um, bevor er seine Stimme noch mehr dämpfte. »Auf Dachböden, unter Schornsteinen, in den Abtritten, in Treppenhäusern, sogar in Mauern, damit sich die Streiter Gottes vor ihren Verfolgern verbergen können. Ist das nicht klug ausgedacht?« Er rieb sich die Hände und strahlte vor Freude. »Aber das hätte ich Euch auch nicht sagen dürfen. Ihr werdet es Jenkes nicht verraten, nicht wahr? Ist alles in Ordnung, Sir?«
»Bitte? O ja, es ist nichts. Meine Schultern schmerzen ein wenig.« Mir wurde bewusst, dass ich vor Konzentration das Gesicht verzogen und die Zähne zusammengebissen hatte, während ich versuchte, ein Ende des Knotens mit dem Finger zu lösen. Es war mir beinahe gelungen, ich durfte jetzt keinesfalls Humphreys
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