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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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er, richtete die Waffe auf mich und trat einen Schritt vor. Das Pferd wieherte erschrocken auf.
    »Ein königlicher Bote«, keuchte ich. »Ich habe eine dringende Botschaft von Sir Philip Sidney.«
    »Ein Shilling, um vor dem ersten Tageslicht passieren zu dürfen!«
    »Ich habe keinen Shilling. Mein Befehl lautet, eine Botschaft ohne jegliche Verzögerung zum Kronrat in London zu bringen.« Ich richtete mich in der Hoffnung, ein gebieterisches Auftreten würde von meiner äußeren Erscheinung ablenken, auf dem Pferd auf. »Und wenn du mich nicht durchlässt, nagelt der Earl of Leicester deine Eier als warnendes Beispiel an dieses Tor, das schwöre ich dir.«
    Wieder spähte ich über meine Schulter, weil ich sicher war, weiter oben auf der High Street Geräusche zu hören. Der Wächter zögerte einen Moment, dann begann er das schwere Holztor umständlich zu öffnen, während ich die Zügel des Pferdes anzog. Es spürte meine Ungeduld und Anspannung und wurde unruhig.
    Als ich die Stadtgrenze überquerte, vernahm ich hinter mir einen Ruf. »Heda! Haltet diesen Reiter auf!«
    Ich trieb mein Pferd an. Obgleich der Boden immer noch weich war, war die Straße jetzt wenigstens breiter, da es sich um die Hauptstraße nach London handelte, und es wurde am östlichen Horizont, auf den ich zuhielt, allmählich heller. Wind fing sich in der Mähne des Pferdes, das gehorsam durch Karrenfurchen und über Schlaglöcher hinwegdonnerte, und brannte in meiner Nase und meinen Augen, als ich mich tief über seinen Hals beugte, all mein Geschick aufbot, um auf seinem sattellosen Rücken nicht den Halt zu verlieren, und mich gelegentlich umdrehte, um mich zu vergewissern, dass mir niemand folgte. Zum Glück war das Pferd ein schnelles Tier, und bald hatte ich den Eindruck, einen ausreichenden Vorsprung gewonnen zu
haben. Aber jetzt, wo ich wieder ruhiger atmen konnte, begann ich plötzlich an meinem Plan zu zweifeln. Nach meinem Gespräch mit Humphrey hatte für mich festgestanden, dass ich die Lösung des Rätsels in Hazeley Court finden würde, doch nun, da ich mich außerhalb der Stadt befand und keine Ahnung hatte, wo dieses Herrenhaus zu finden war, fragte ich mich, ob ich nicht nur wilde Vermutungen angestellt hatte, während sich das eigentliche Drama anderswo abspielte.
    Ich war vielleicht eine halbe Stunde geritten, der Himmel war zunehmend heller und das Vogelgezwitscher lauter geworden, als ein feuchter Nebel von den Hecken aufstieg, der die Felder in der Ferne hinter einem wabernden Schleier verbarg. Der Geruch nach feuchter Erde stieg mir in die Nase. Nichts deutete darauf hin, dass sich hier in der Nähe eine Ansiedlung befand, und ich begann zu fürchten, einen verhängnisvollen Fehler begangen zu haben: Vielleicht fand ich Thomas und Sophia nicht, bevor es zu spät war, und umkehren konnte ich nun nicht mehr. Wenn Jenkes oder Slythurst mir von der Stadt aus gefolgt waren und mich auf dieser gottverlassenen Straße einholten, würde mir niemand zu Hilfe kommen.
    Die Straße beschrieb eine Biegung, hinter der mein Pferd beinahe in eine Schafherde gestürmt wäre, die von einem alten Mann mit einem Hirtenstab in der Hand in Richtung Oxford getrieben wurde.
    »Sir, könnt Ihr mir sagen, wo ich das Herrenhaus Hazeley Court finde? Bin ich auf der richtigen Straße?«, rief ich ihm zu.
    Der Schäfer blickte argwöhnisch auf.
    »Was sagt Ihr?«
    Ich holte tief Atem und wiederholte meine Frage in dem klarsten Englisch, das ich zustande brachte.
    Der Mann deutete in die Richtung, aus der er gekommen war.
    »Ungefähr noch eine halbe Meile. Ihr seht dann zwei Eichen auf der linken Seite und dazwischen einen Feldweg. Dem folgt Ihr bis zum Haus. Was wollt Ihr denn dort?« Er musterte mich neugierig.

    »Ich habe dort geschäftlich zu tun«, erwiderte ich.
    »Das ist ein Papistennest, müsst Ihr wissen«, brummte er, während sich mein Pferd zwischen den Schafen hindurchdrängte. Ich dankte ihm für die Warnung, und sowie wir die Herde hinter uns gelassen hatten, trieb ich das Pferd zu einem schnelleren Tempo an. Mein Rücken und meine Beine schmerzten nahezu unerträglich, und die Zügel scheuerten meine verbrannte Hand wund, aber ich war zutiefst erleichtert, dass das Haus ganz in der Nähe lag. Vielleicht würde ich dort endlich die Antworten finden, die ich suchte.

19
    Der Feldweg neigte sich sanft hügelabwärts und verbreiterte sich schließlich zu einer Kutschenauffahrt, die zur Front des großen Herrenhauses führte. Vom

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