Ketzer
jung war, um immatrikuliert zu werden, wurde bei einer Familie in der Stadt untergebracht.« Wieder schüttelte er mit einem Mitgefühl, das ich ihm nicht recht abnahm, den Kopf. »Edmund Allen war ein guter Mann – er wurde so wie ich auch vom Earl of Leicester persönlich an die Universität berufen, müsst Ihr wissen.«
»Werden die Kandidaten für die höheren Ämter nicht von den Fellows gewählt?«, erkundigte ich mich unschuldsvoll.
»Unter normalen Umständen ja«, erwiderte Underhill zögernd. »Aber hier waren viele dieser Ämter mit überzeugten Papisten besetzt – einige waren von Königin Maria selbst ernannt worden und noch immer unbußfertig. Um diese Leute auszusieben, begann der Earl, sie durch seine eigenen, treu zur Kirche stehenden Männer zu ersetzen. Er hatte es sich zum Ziel
gesetzt, das Geschwür des Papismus endgültig auszubrennen. Ehe ich mein jetziges Amt antrat, war ich sein persönlicher Kaplan«, fügte er nicht ohne Stolz hinzu.
»Und waren die anderen Fellows mit dieser Wahl einverstanden?«
Der Rektor schien sich innerlich zu winden. »Da Ihr schon fragt… nein. Auf irgendeine Weise sind wir jedoch alle auf Beziehungen angewiesen«, gab er ziemlich barsch zurück. »Edmund Allen wurde auch auf meine Empfehlung hin in sein Amt berufen – wir waren alte Studienkameraden. So könnt Ihr Euch sicher vorstellen, wie mir und meinen Kollegen zumute war, als letztes Jahr herauskam, dass er ebenfalls heimlich die alte Religion praktiziert hat – oder vielmehr nicht ganz so heimlich, denn er war im Besitz verbotener Bücher und korrespondierte seit einiger Zeit mit den katholischen Priesterseminaren in Frankreich.«
»Ist das ein Verbrechen?«
»Wenn man ihm hätte nachweisen können, dass er von der geheimen Ankunft französischer Missionare gewusst oder gar geholfen hat, sie ins Land zu schleusen, wäre er an den Galgen gekommen. Aber es gab keine hieb- und stichfesten Beweise gegen ihn, nur Hörensagen, und es war kein Geständnis aus ihm herauszubringen.«
»Wurde er bestraft?«
»Er wurde streng verhört, demgegenüber fiel seine Strafe vergleichsweise milde aus.« Der Rektor schürzte die Lippen. »Der Earl war außer sich vor Wut, wie Ihr Euch sicher denken könnt – Allen wurde sofort von der Universität ausgeschlossen, durfte aber unbehelligt das Land verlassen. Sollte er jemals zurückkehren, droht ihm sofort Gefangenschaft. Er ging also nach Frankreich, ließ sich in Reims nieder und lehrt nun dort an der englischen Universität.«
»Reims? Davon habe ich schon einmal gehört. Die dortige Universität wurde von einem William Allen gegründet, nicht wahr?«
»Einem Vetter, ja. Die Allens gehören zu den alten katholischen Familien. Aber Edmund Allens Sohn Thomas, den Ihr ja eben unter so unerfreulichen Umständen kennen gelernt habt, folgte seinem Vater nicht ins Exil. Thomas absolvierte hier damals gerade sein erstes Studienjahr. Er will sein Studium eigentlich auch beenden, allerdings gab und gibt es viele, die finden, er sollte allein wegen der Schande seines Vaters von der Universität verwiesen werden.«
»Es kommt mir übermäßig hart vor, einen Sohn für den Glauben seines Vaters zu bestrafen. Teilt er diesen übrigens mit ihm?«
»Das weiß niemand. Alle Studenten müssen den Suprematseid schwören, mit dem sie Ihre Majestät als Kopf der religiösen Autorität im Reich anerkennen, doch Ihr wisst so gut wie ich, dass ein Mann ein Dokument mit seiner Hand unterzeichnen und im Herzen ganz anders denken kann. Thomas Allen wurde bezüglich seiner Doktrinen einem strengen Verhör unterzogen, das versichere ich Euch.« Der Rektor nickte bedeutsam.
»Er wurde gefoltert?«, versetzte ich angewidert.
»Guter Gott, nein – haltet Ihr uns für Barbaren, Doktor Bruno? Es war nur eine Vernehmung, wenn auch keine angenehme, wie ich zugeben muss. Ihm wurden Fragen gestellt, die selbst ein Doktor der Theologie nur schwer hätte beantworten können, und jede seiner Antworten wurde gründlich durchleuchtet. Der Ausschluss seines Vaters hatte solche Wellen geschlagen, dass wir dem Sohn gegenüber keinerlei Nachsicht zeigen durften – wir konnten uns nicht dem Vorwurf aussetzen, gegenüber einem bekannten Papisten in unserer Mitte ein Auge zuzudrücken.«
»Da er noch immer hier ist, gehe ich davon aus, dass er den Test bestanden hat?«
»Man beschloss zu guter Letzt, dass er bleiben dürfe, aber auf eigene Kosten – sein Stipendium wurde ihm
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