Ketzer
Hoffnung, meinen ruinierten Schlaf wiederzuerlangen, schlang ich die Decke enger um mich und rollte mich zusammen. Ich verwünschte gerade den Rektor, oder wen auch immer, der solch eine Bestie auf dem Universitätsgelände hielt, als sich ein zweites Geräusch zu diesem tierischen Morgenkonzert gesellte – eines, das ich mein Leben lang nie vergessen habe und immer noch manchmal im Traum höre: Es war der markerschütternde Schrei eines Menschen in Todesangst, und er wurde ständig schriller und qualvoller, gleichzeitig wurde das Bellen des Viehs immer ungebärdiger und bösartiger.
Nachdem dieses entsetzliche Lautgemenge den letzten Hauch von Schlaf vertrieben hatte, begriff ich, dass nicht weit von meinem Fenster entfernt jemand um sein Leben kämpfte. Ich nahm an, ein unbefugter Eindringling müsse von einem
Wachhund überrascht worden sein, aber ich durfte die Schreie nicht ignorieren, also schlüpfte ich hastig in meine Hose und in ein Hemd, um die Quelle dieses Aufruhrs ausfindig zu machen und zu sehen, ob ich helfen könnte.
Ich trat aus dem Treppenhaus in den dämmrigen Hof hinaus. Zwischen den Wolken schimmerte fahles Licht, der Regen hatte vorübergehend nachgelassen, und ein silbriger Nebel hing so dicht in der Morgenluft, dass ich die Uhr auf der gegenüberliegenden Gebäudeseite kaum ausmachen konnte und ein paar Schritte darauf zugehen musste, um die Zeiger zu erkennen: fast fünf Uhr morgens. Das grässliche Gebell hielt an, und aus anderen Treppenhäusern strömten junge Männer in Hosen unter ihren Nachthemden in den Hof, scharten sich in Gruppen zusammen und tuschelten miteinander, sichtlich unschlüssig, ob sie näher kommen sollten oder nicht. Der Lärm kam eindeutig aus der Richtung des Ganges, der zur Wohnung des Rektors und zum Hain führte, dem Garten der Fellows, den ich am Abend zuvor gesehen hatte. Ich nahm mich zusammen und rannte auf das Eisentor zu, wo zwei junge Männer vergeblich an seinem Griff zerrten und in den nebligen Garten spähten. Als sie meine Schritte hörten, drehten sie sich mit aschfahlen Gesichtern um.
»Jemand ist dort drinnen, Sir, zusammen mit einer wilden Bestie!«, rief der Größere der beiden. »Ich wollte mich gerade waschen, als ich die Schreie hörte, aber von hier aus können wir nichts erkennen.«
»Wir haben keinen Schlüssel«, fügte der andere verzweifelt hinzu. »Den haben nur die Fellows, und das Tor ist abgeschlossen.«
»Dann müssen wir einen der Fellows wecken.« Ich fragte mich ohnehin, wie der Rektor, dessen Wohnungsfenster auf den Garten hinausgehen mussten, von diesem Tumult nichts hatte mitbekommen können. »Ihr müsst doch wissen, wo ihre Räume liegen – rasch, lauft und holt jemanden, der das Tor öffnen kann. Gibt es noch einen anderen Eingang?«
»Zwei, Sir«, erwiderte der hochgewachsene Student verängstigt,
während sein Freund davoneilte, um Hilfe zu holen. »Ein anderes Tor wie dieses erreicht man durch den Gang am anderen Ende der Hall , der an den Küchen vorbeiführt, außerdem ist eines in die Gartenmauer zur Brasenose Lane eingelassen, aber sie sind nachts alle verschlossen.«
»Nun, der Mann dort drinnen muss irgendwie hineingekommen sein«, krächzte ich, während eine gepresste Stimme zweifelsohne folgende Worte ausstieß: »Jesus, rette mich! Heilige Jungfrau, rette mich!« Ein weiterer Schrei zerriss die Luft, gefolgt von Hilferufen voller Pein, einem bösartigen Knurren und dann einem Laut, dem nichts Menschliches mehr anhaftete, einem erstickten Gurgeln, das kein Ende zu nehmen schien. Eine kleine Schar neugieriger, aufgeregter Studienanfänger gesellte sich zu uns, als ich endlich die Stimme des Rektors hörte: »Lasst mich durch, habe ich gesagt!«
Sein Gesicht war schlafverquollen, er hatte einen Mantel über sein Nachtgewand geworfen und trug einen Schlüsselbund in der Hand. Bei meinem Anblick stutzte er.
»Oh – Doktor Bruno, was ist das nur für ein unchristlicher Tumult? Wer ist dort drinnen, könnt Ihr das erkennen? Ich habe aus dem Fenster geschaut, aber wegen des Nebels und der Bäume konnte ich nichts sehen.«
»Ich kann auch nichts erkennen, es scheint jedoch, dass im Garten jemand von einem wilden Tier angefallen wird. Ihm muss geholfen werden, und zwar möglichst schnell!«
Der Rektor starrte mich an, als hätte ich ihm gerade erzählt, eine Kuhherde sei über die Universität hinweggeflogen, dann nahm er sich zusammen und trat mit seinen Schlüsseln auf das Tor zu. Doch er besann sich
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