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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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mit Rom rückgängig gemacht hatte, fand an den Universitäten eine große Säuberungsaktion statt – alle von Maria berufenen katholischen Fellows und Vorsteher wurden ihrer Ämter enthoben, es sei denn, sie sprachen sich gegen die Autorität des Papstes aus und schworen den Suprematseid. William leistete diesen Eid unverzüglich, was ihm fünfundzwanzig friedliche Jahre hier eintrug, während seine standfesteren Freunde in alle Winde verstreut wurden.«
    »Und dennoch muss jedem, der ihm nun, wo er im Winter seines Lebens steht, zuhört, klar sein, dass er sich im Herzen wieder dem alten Glauben zugewandt hat.«
    »Ich glaube, dass er sich im Angesicht seines nahenden Todes weniger Gedanken um seinen Körper macht als um sein Seelenheil«, erwiderte Mercer. »Vielleicht werden wir alle, wenn wir das Ende nahen spüren, einen anderen Kurs einschlagen, aber solange wir noch leben und atmen, gilt all unsere Sorge unserem schwachen Fleisch und unserem weltlichen Status.«

    »Schon möglich. Indes, es scheint mir Allens Sohn zu sein, der am meisten zu leiden hat«, bemerkte ich.
    »Ihr habt Thomas Allen kennen gelernt? Der arme Junge! Er ist sehr begabt, müsst Ihr wissen. Oder zumindest war er das.« Mercer fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht, als würde er es waschen – eine Geste der Hoffnungslosigkeit. »Ich kenne ihn, seit er mit fünfzehn nach Oxford gekommen ist – bevor sein Vater nach Reims aufbrach, bat er mich, während seiner Abwesenheit wie ein väterlicher Freund für Thomas zu sorgen. Edmund hatte begriffen, warum ich so handeln musste, wie ich es getan habe, und er hatte mir verziehen. Doch Thomas vergibt mir meine Rolle in Edmunds Prozess nicht. Ich habe versucht, ihm zu helfen – ihm Geld zuzustecken, soweit es meine Mittel zulassen, meine ich –, aber er schuftet lieber wie ein Sklave für diesen jungen Pfau Norris, als auch nur einen Penny von mir anzunehmen. Wenn ich ihn auf dem Hof treffe, ignoriert er mich, nichtsdestotrotz spüre ich, wie sehr der Hass in ihm lodert.«
    »Das ist bedauerlich«, erwiderte ich. »Aber er ist jung, und der Hass der Jugend erlischt so rasch, wie er aufgeflammt ist. Vielleicht wird er Euch im Lauf der Zeit vergeben.«
    Ich verneigte mich und bewegte mich auf das Treppenhaus zu, um noch zum Arbeiten zu kommen, bevor es zu spät würde. Da trat Mercer rasch vor mich und ergriff meine Hand.
    »Ich hoffe, wir bekommen die Gelegenheit, uns noch einmal zu unterhalten, Doktor Bruno«, sagte er. »Ich freue mich aufrichtig, Euch kennen gelernt zu haben, und ich hoffe, meine Missbilligung heute Abend klang nicht gar zu frömmelnd, als wir über Agrippa und die hermetischen Abhandlungen sprachen.«
    »Oh, ich bin missbilligende Äußerungen gewohnt«, wischte ich seine Entschuldigung mit einem Lächeln beiseite.
    »Ihr missversteht mich. Der Rektor ist ein frommer Mann und kann sehr streng sein – für diejenigen, deren Position von seinem Wohlwollen abhängt, empfiehlt es sich, Meinungen zu äußern, die mit den seinen übereinstimmen, wenn er mit am
Tisch sitzt. Dessen ungeachtet habe ich mich schon immer für diese Werke interessiert – als Gelehrter, meine ich, denn ich bin der festen Überzeugung, dass ein Mann sich objektiv mit diesen okkulten Philosophien befassen und trotzdem ein guter Christ sein kann. Ist dem nicht so, Bruno?«
    »Ficino vertrat diese Ansicht«, versetzte ich. »Und ich hoffe, er hatte recht, Doktor Mercer, denn sonst bin ich verdammt.«
    »Bitte nennt mich Roger«, gab er herzlich zurück. »Nun, ich freue mich schon auf unser nächstes Gespräch über dieses Thema.«
    Mit diesen Worten verbeugte er sich und schritt über den Hof davon. Ich kehrte in meine Kammer zurück, und im selben Moment fielen erneut dicke Tropfen von einem düsteren Himmel.

4
    Ich las und überarbeitete meine Notizen für die Disputation, bis meine Lampe erlosch. Danach schlief ich sehr unruhig, es war kalt in der Kammer, der Regen hämmerte gegen die Läden, und das Holz knarrte. So kam es, dass ich, als ich von einem gewaltigen Lärm aus einem kurzen Schlummer gerissen wurde, zuerst nicht wusste, ob es schon Morgen wäre oder nur eine Halluzination aus meinen wirren Träumen. Doch dann wurde der Lärm immer lauter, und als ich so weit erwacht war, um feststellen zu können, dass die Dämmerung noch nicht angebrochen war, wurde mir klar, dass es sich bei dem infernalischen Getöse vor meinem Fenster um das wilde Bellen eines Hundes handelte. In der

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