KGI: Blutiges Spiel (German Edition)
Anweisungen erhalten hatte, war sie gleichzeitig erschrocken und erleichtert gewesen.
Fiona, die Hausmeisterin hier in Marcus’ Haus, hatte Lebensmittel eingekauft und auch sonst alles, was Sarah brauchte. Sofort nach Sarahs Ankunft hatte sie sich diskret zurückgezogen und nur eine Telefonnummer hinterlassen, unter der sie erreichbar war, falls Sarah etwas benötigen sollte.
Die Gegend war abgelegen, bot aber allerhand Fluchtmöglichkeiten. Die ersten Stunden hier hatte sie darauf verwendet, peinlich genau für alle Eventualitäten vorauszuplanen. Als sie vor Wochen auf die Insel geflohen war, da hatte sie sich noch ein wenig – okay, zugegeben, sehr – naiv verhalten. Sie war zwar äußerst vorsichtig gewesen, dennoch hatte sie sich überrumpeln lassen. Sicher, für eine rasche Flucht von der Isle de Bijoux hatte sie vorgesorgt, aber ihre persönliche Sicherheit hatte sie sträflich vernachlässigt. Eigentlich lächerlich, wenn man die Umstände betrachtete.
Das war jetzt kein Problem mehr. Dank Marcus besaß sie nun eine Waffe. Schießübungen hatte sie noch keine machen können, die Pistole dafür aber genauestens unter die Lupe genommen, geladen und entladen, den Widerstand der Sicherung geprüft und sich an das Gewicht und das Gefühl des Griffs in der Hand gewöhnt. Die Pistole war schwer und ein wenig sperrig, aber im Notfall würde sie ihren Job erledigen.
Sie hatte auf einen imaginären Feind gezielt und ihre Entschlossenheit getestet, einen Menschen zu töten. Am Ende stellte sie sich Allen Cross vor, wie sie ihn bedrohte und ihm schließlich eine Kugel durchs Herz jagte.
Sie konnte selbst auf sich aufpassen. Es war höchste Zeit, das letzte Jahr als verschüchtertes, wehrloses Nervenbündel hinter sich zu lassen und nach vorn zu blicken.
In einem früheren Leben hätte sie auf der Insel bleiben und vielleicht einen Urlaubsflirt mit Garrett genießen können. Auch er schien durchaus nicht abgeneigt gewesen zu sein, immerhin hatte er sie geküsst. Ihr war aufgefallen, wie er sie angesehen hatte. Sie fand ihn zugegeben sehr anziehend, auch wenn bei ihr immer leise die Alarmglocken angeschlagen hatten, wenn er in ihrer Nähe war.
Nein, sie hatte in ihm keine potenzielle Bedrohung für ihre Sicherheit gesehen. Es war die Angst einer Frau, die spürte, dass ein Mann ihren gesunden Menschenverstand außer Kraft setzen und sie auf ihre rein animalischen Instinkte reduzieren konnte. Ein berauschendes Gefühl, das ihren Verstand und ihre Seele in Schwingungen versetzte und ein tief verborgenes Verlangen in ihr weckte: zu besitzen und besessen zu werden.
Sie musste über sich selbst lachen, als sie da so vor dem Fenster stand und die Umgebung betrachtete. Sie rieb sich die Arme. Sie war gerade auf der Flucht und rannte um ihr Leben, und dennoch malte sie sich einen heißen Flirt mit einem attraktiven Mann aus.
Aber es machte ihr auch Mut, dass sie wieder an einen hübschen Kerl denken konnte, ohne von Angst und Misstrauen überwältigt zu werden. Das war … ein Schritt in die richtige Richtung. Ein Fortschritt. Sie war auf dem Wege der Besserung, die sie von Herzen herbeisehnt hatte.
Hoffnung keimte inmitten ihres Gefühlschaos’ auf, auch wenn sie wusste, dass sich ihr Leben unwiderruflich verändert hatte. Möglicherweise würde ihre Zukunft doch nicht so trostlos werden, wie es noch vor wenigen Monaten den Anschein gehabt hatte. Sie fühlte sich wie … befreit.
Der Hunger trieb sie in die Küche. Widerwillig verließ sie ihren Aussichtsplatz, von dem sie die umliegende Landschaft überblicken konnte. Hier oben fühlte sie sich sicherer. Mögliche Bedrohungen waren früher zu erkennen.
Die Küche war zwar klein, aber gut ausgestattet und überraschend modern eingerichtet. Besser sogar als in ihrer alten Wohnung in Boston. Nachdem sie Kühlschrank und Vorratskammer überprüft hatte, wählte sie etwas Einfaches und machte sich ein Sandwich. Warme Gerichte verschob sie auf später, wenn sie nicht mehr so überdreht sein und jede Sekunde damit rechnen würde, dass irgendetwas aus dem Wald auftauchte und das Haus stürmte.
Sie goss sich ein Glas Wein ein und wollte die Flasche schon wieder wegstellen, als sie es sich anders überlegte. Die ganze Flasche wäre auch nicht verkehrt. Es würde ihr mit Sicherheit helfen, den Stress der vergangenen Tage zu vergessen.
Sie klemmte die Flasche unter den Arm und nahm den Teller mit dem Sandwich sowie das Weinglas. Dann ging sie wieder ins Wohnzimmer mit den
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