KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
Missgeschick passiert, nichts weiter.
Er fuhr aus der Stadt. Gott sei Dank hatte er sich nicht in Washington aufgehalten, als der Artikel erschien. Dort funktionierte die regelmäßige Zustellung der Zeitungen nicht immer einwandfrei. Nicht auszudenken, wenn er diese Ausgabe versäumt hätte.
An der ersten Tankstelle mit Münztelefon hielt er an. Nachdem er überprüft hatte, dass niemand in Hörweite war, machte er den Anruf. Seine Anweisungen waren deutlich.
Das Kartell hatte Scheiße gebaut. Er konnte keine Zeugen gebrauchen. Jeder, der ihn mit dem Drogenhandel in Verbindung bringen konnte, musste sterben.
Rachel Kelly musste wieder das Zeitliche segnen.
27
Zitternd legte Rachel den Hörer auf und drehte sich zu Ethan um. Hoffentlich sah sie nicht so schlecht aus, wie sie sich fühlte. Ihr Magen rebellierte, und sie war überaus dankbar, dass sie das Frühstück hatte ausfallen lassen.
»Sie hat gleich einen Termin frei«, sagte sie.
Ethan trat zu ihr und schloss sie in die Arme. Sie klammerte sich an ihn, ihren Anker und das Einzige, das ihr derzeit in ihrem Leben nicht sinnlos vorkam.
»Soll ich mitkommen?«
Sie zögerte, weil sie sich genau das so sehr wünschte wie sonst nichts auf der Welt. Sie hatte einen Heidenbammel und wollte das nicht allein durchstehen müssen. Aber schlimmer noch als die Angst, Ethan nicht bei sich zu haben, war die Furcht, er würde herausfinden, warum sie sich nun doch entschlossen hatte, eine Therapeutin aufzusuchen. Wie könnte sie in seiner Gegenwart von den schrecklichen Dingen erzählen, die sie nachts träumte, wo er sich doch so wunderbar verhielt?
»Nein, das muss ich allein hinter mich bringen.«
Ihre Lippen zitterten so sehr, dass sie die Worte kaum aussprechen konnte. Sie war kurz davor, sich zu übergeben. Der Gedanke, vor einem fremden Menschen ihr Innerstes nach außen zu kehren, versetzte sie in Angst und Schrecken.
Er beugte sich zu ihr und küsste sie, erst zärtlich, dann immer intensiver. Seine Zunge erforschte ihren Mund. Als er sie wieder freigab, rangen beide nach Luft. Ihre Lippen waren geschwollen und kribbelten.
Er zog ein Handy aus der Tasche und legte es neben sie auf die Anrichte.
»Das ist für dich. Ich habe meine Nummer und die von meinen Brüdern und meinen Eltern einprogrammiert. Außerdem die Nummer von Sean, vom Sheriff und von sämtlichen Deputys. Von allen, die mir eingefallen sind und die du irgendwann mal brauchen könntest. Wenn du deine Meinung noch änderst, ruf mich an. Dann komme ich, so schnell ich kann.«
Lächelnd legte sie ihm die Arme um die Taille und zog ihn an sich. Sie war froh, dass er trotz ihrer schlimmen Albträume so liebevoll zu ihr war. Die Schrecken der Nacht waren bei Tageslicht verblasst. Jetzt kam sie sich dumm und ungerecht vor.
Sie erschrak, als plötzlich das Telefon klingelte. Sie bekamen nur selten Anrufe, was ihrer Meinung nach daran lag, dass Ethans Familie sich bewusst zurückhielt. Zögernd hob sie ab. Dies war schließlich auch ihr Haus. Sie lächelte sogar, als sie den Hörer ans Ohr hielt. Ihr Haus. Ihr Telefon.
»Hallo?«
Es war kurz still, dann hörte sie Sams Stimme. »Tag, Rachel, wie geht’s dir denn?«
Er klang nett wie immer, und als ihr einfiel, wie kurz angebunden und ungehobelt er mit seinen Brüdern normalerweise umsprang, musste sie grinsen. »Hallo Sam, mir geht’s gut.«
»Das höre ich gern. Ist Ethan in der Nähe? Ich müsste ihn kurz mal sprechen.«
»Klar. Er steht neben mir.«
Sie reichte ihrem Mann den Hörer.
Er gab ihr noch schnell einen Kuss, dann nahm er ihn ihr ab. »Hallo?«
Rachel ging ein paar Meter weg, damit er sich ungestört unterhalten konnte, aber selbst auf die Entfernung spürte sie den Zorn, den er plötzlich versprühte.
»Wie bitte? Willst du mich verscheißern?«
Sie zuckte zusammen. Ethans Gesicht war wutverzerrt.
»Du musst mich abholen. Rachel braucht den Pick-up, weil ich noch nicht dazu gekommen bin, ihr einen neuen Wagen zu kaufen.«
Während er sprach, schaute er zu ihr und versuchte, ein etwas freundlicheres Gesicht aufzusetzen.
»Genau, in einer halben Stunde bin ich so weit. Fahr ja nicht ohne mich rüber.«
Er hängte ein und ballte eine Hand zur Faust. Er sah aus, als hätte er am liebsten irgendetwas an die Wand geschmissen, begnügte sich dann aber damit, ein paarmal tief Luft zu holen.
»Ethan?«, fragte sie besorgt.
Langsam beruhigte er sich wieder und lächelte sie sogar an, wenn auch ein wenig gezwungen.
»Ist schon
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