Kill Decision
Wetterkanal. Eine Meteorologin gestikulierte über dem Nordosten, erklärte, dass ein Hoch von den Großen Seen herabzog. Ein Fenster zur Normalität, aus einem Irrenhaus.
Sie drückte die Programmtaste, und es kam ein Kabelnachrichtenkanal. Videobilder von einem brennenden Bürohochhaus, rußumflorte Fensteröffnungen und herausgeborstene Scheiben. Die Laufschrift am unteren Bildschirmrand lautete: «… Anschlag in Washington, D.C. Sechs Tote, zwölf Verletzte …»
McKinney fühlte sich schon fast persönlich betroffen.
Die Nachrichtenmoderatorin kommentierte das Video: «… diesmal im Herzen des amerikanischen Verteidigungssektors, ganz in der Nähe des Pentagon. Opfer des Bombenanschlags wurden der geschäftsführende Direktor von Alerion Aeorospace, Brad Oliphant jr., sowie mehrere Vorstandsmitglieder und Manager. Da Alerion Zulieferer für mehrere Drohnenprogramme des Pentagon ist, vermuten Sicherheitsexperten, dass Rache für den Angriff auf den Schrein von Kerbela das Motiv sein könnte, obwohl inzwischen alles darauf hindeutet, dass die USA für den Vorfall nicht verantwortlich sind. Obwohl Al-Qaida und andere Terrororganisationen den heutigen Angriff verbal begrüßt haben, hat sich nach Auskunft der Behörden bislang noch keine Gruppierung glaubhaft zu der Tat selbst be–»
Klick.
Ein anderer Kabelnachrichtensender. Ein Foto desselben brennenden Bürogebäudes hinter dem Moderator, der gerade erklärte: «… Explosion in der gesamten Hauptstadt zu hören, was bei vielen schreckliche Erinnerungen an 9/11 wachrief. Zur Stunde ist Washington eine Stadt im Belagerungszustand: Die Einwohner ringen mit der Erkenntnis, dass sie jetzt in einem Kampfgebiet leben.»
Klick.
Ein weiterer Nachrichtenkanal. Bilder von Verletzten, die auf Rolltragen zu bereitstehenden Krankenwagen gebracht wurden. Feuerwehrfahrzeuge. Die eindringliche Stimme des Nachrichtenmoderators: «Teile Washingtons sind abgeriegelt, während Ermittler den Tatort und die Umgebung durchkämmen und Überwachungsvideos wieder und wieder analysieren, um Hinweise darauf zu finden, wie die Attentäter durch die Sicherheitskontrollen gelangen konnten.»
Eine präzisionsgelenkte Bombe oder Rakete brauchte keine Sicherheitskontrollen zu passieren, dachte McKinney. Sie fragte sich, ob das da eine gezielt lancierte Story war oder ob die meisten Regierungsvertreter die Wahrheit auch nicht kannten.
Klick.
Wieder Nachrichten. Dieselbe Story.
Klick.
Auch Nachrichten. War das denn alles, was dieses verdammte Ding zu bieten hatte? Wetter und Nachrichten?
Klick.
Eine Kommentatorenrunde. Mehrere Experten, versammelt an einem Tisch, der aussah wie aus Raumschiff Enterprise , um die jüngsten Geschehnisse zu gewichten. Ein Glatzkopf mit schiefsitzender Krawatte redete im Schnellfeuertempo. «… sich doch die Frage, warum – nach über zehn Jahren Krieg gegen den Terror, der Billionen verschlungen, Tausende amerikanischer Menschenleben gekostet und zigtausend Verwundete hinterlassen hat, nach all den Opfern an Blut und Geld, nicht zu vergessen Hunderttausende getöteter Zivilisten in Übersee – warum wir dieser Form des Terrorismus noch immer genauso hilflos gegenüberstehen wie zum Zeitpunkt von 9/11.»
Ein anderer Experte: «Darum geht es doch hier nicht, Howard. Ich meine, nach all dem, was wir an Privatsphäre und bürgerlichen Grundrechten aufgegeben haben, leben wir praktisch in einem Überwachungsstaat – Kameras an jeder Straßenecke, in jedem Geschäft und jedem Bürogebäude, massive Telekommunikationsüberwachung –, und trotzdem gelingt es der Regierung nicht, diese Terroristen zu finden. Nehmen Sie nur mal die Anschläge in den spanischen Zügen, in der Londoner U-Bahn, da hatte man binnen Stunden Überwachungsvideos, die zu den Tätern führten. Aber hier sind es Monate und fast zwei Dutzend Anschläge, ohne dass –»
Der Talk-Gastgeber warf ein: «Es gab doch Verhaftungen.»
«Aber die Anschläge gehen weiter, und es ist niemand für schuldig befunden worden. Im Gegenteil, mehrere Verdächtige wurden sogar wieder freigelassen.»
Der Gastgeber lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. «Stattdessen hört man vom Capitol Hill, dass die Geheimdienstausschüsse von Repräsentantenhaus und Senat die Bereitstellung von Sondermitteln, angeblich in zweistelliger Milliardenhöhe, für ein Drohnen-Verteidigungssytem prüfen, wobei ich mich frage, wie viel Geld wir noch für Sicherheit ausgeben können, das
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