Kill for Fun: Gnadenlose Geschichten (German Edition)
»Was?«
»Das Mädchen am Steuer. Ich hoffe, die ist auf dem Weg zum See.«
»Heißes Teil?«
»Hast du nicht … pass auf!«
Jim drehte seinen Kopf wieder nach vorn – gerade noch rechtzeitig, um den schwarzen Lieferwagen zu bemerken. Dieser parkte quer am Straßenrand und blockierte mit dem hinteren Ende einen Teil der Fahrbahn. Jim bremste und scherte nach links aus. Er konnte zwar noch ausweichen, aber sein Fahrrad geriet ins Schlingern, die Reifen verloren den Halt und er kippte dem Asphalt entgegen. Jim rammte einen Fuß nach unten, schwang sein anderes Bein über die Mittelstange und machte ein paar Hüpfer, als das Rad neben ihm vorbeischoss. Ihm wurde jedoch sofort klar, dass das Absteigen sein Problem nicht gelöst hatte. Er schien mit einem Mal von einem Wirbelsturm erfasst zu werden, der ihn durch die Luft schleuderte und schließlich zu Boden warf, wo er sich überschlug.
Dann blieb er liegen.
Mike kam neben ihm zum Stehen und schaute mit besorgtem Gesicht zu ihm herunter. »Bist du okay?«
»Scheiße, verdammt! Hölle noch mal!«
»Du hättest besser aufpassen müssen, wo du hinfährst.«
Stöhnend setzte Jim sich auf. Die Seite seines linken Beins war dreckig, aufgeschürft und blutig, ebenso ein Teil seines linken Unterarms, direkt unterhalb des Ellbogens. Er versuchte, wenigstens den gröbsten Dreck aus den Wunden zu wischen, und zuckte zusammen. Ich kann mich immer noch waschen, wenn wir am See sind, überlegte er. Er rappelte sich mühsam auf und humpelte zu seinem Fahrrad.
Hemd und Handtuch lagen immer noch im Korb, aber die Tüte mit seinem mitgebrachten Essen und das Fernglas waren rausgefallen.
»Oh, Mann«, knurrte er, als er den Feldstecher aufhob. Er befreite ihn von der Schutzhülle und begutachtete die Linsen.
»Noch ganz?«
»Ja, ich glaub schon.« Er schob ihn in die Hülle zurück. »Arschloch. Wieso ist er denn nicht ganz von der Straße runtergefahren?«
»Na ja, da ist ein Graben.«
»Mistkerl.« Jim humpelte zum Lieferwagen und trat gegen die Seite.
»Scheiße! Lass das! Was, wenn jemand drinsitzt?«
Dieser Gedanke war Jim gar nicht gekommen. Er verzog das Gesicht und eilte zu seinem Fahrrad zurück. Mike fuhr schon weiter. »Hey, warte auf mich.« Er verstaute das Fernglas und sein Lunchpaket im Korb und richtete sein Fahrrad am Lenker auf. Mit einem nervösen Blick in Richtung Lieferwagen setzte er einen Fuß auf das linke Pedal, stieß sich ab und schwang sein anderes Bein über den Sattel.
Im selben Moment hörte er ein lautes Kreischen.
Es schien aus dem nahen Wald zu kommen.
Mike stoppte und drehte sich zu ihm um. »Scheiße!«
Jim rollte an ihm vorbei, fuhr vor dem Lieferwagen an den Straßenrand und stellte einen Fuß auf den Asphalt. Er starrte in die dichten, schattigen Wälder.
Mike kam neben ihm zum Stehen. »Das war ein Schrei, oder?«
»Auf jeden Fall.«
»Ein Mädchen.«
»Ja. Aber ich weiß nicht.«
»Was weißt du nicht?«, fragte Mike.
»Du weißt doch, wie Mädchen sind. Die schreien andauernd, nur so aus Spaß. Ich meine, das muss noch lange nicht heißen, dass sie in Schwierigkeiten steckt. Sie hat sich vielleicht nur einen Spaß erlaubt.«
»Ja, oder sie hat eine Spinne gesehen.«
Sie verstummten und lauschten. Jim hörte, wie eine sanfte Brise durch die Baumkronen wehte, wie Vögel zwitscherten und Insekten summten.
Dann: »Bitte!«
»Gott«, flüsterte er. »Hört sich an, als steckt sie doch in Schwierigkeiten.«
Mikes Augen weiteten sich. »Oder sie vögelt grade!«
Jim spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. »Ja«, erwiderte er, »ich wette, das ist es.« Er stieg ab und klappte den Fahrradständer aus. »Lass uns mal nachsehen.«
»Machst du Witze?«
»Nein, ich mach keine Witze. Außerdem, was, wenn sie doch in Schwierigkeiten steckt?« Er holte sein Fernglas aus dem Korb, nahm es aus der Hülle und legte sich den Trageriemen um den Hals.
»Oh, Mann. Oh, Mann«, jammerte Mike und stellte sein Fahrrad ebenfalls ab. Er nahm seinen Feldstecher auch mit.
Jim lief voraus und Mike folgte dicht hinter ihm, als er in den flachen Graben neben der Böschung hinuntereilte, auf der anderen Seite wieder herauskletterte und in den schattigen Wald trat. Er bewegte sich langsam vorwärts, wand sich um Sträucher und Bäume herum und setzte seine Füße so lautlos wie möglich auf. Bei jedem leisen Geräusch der Blätter und Zweige, die unter seinen Schuhen knirschten, zuckte er zusammen.
Fliegen surrten um die Schrammen
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