Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kill Whitey

Kill Whitey

Titel: Kill Whitey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
Vom Netzwerk:
eine Teufelin.
    Jesse erwachte, als wir von der Autobahn abfuhren und an einer roten Ampel hielten. Er rieb sich das Gesicht und sah sich um.
    »Ich brauche Kaffee«, brummte er.
    »Ich auch.« Darryl schnippte seinen Zigarettenstummel aus dem Fenster. »Ich könnte jetzt was von Denny’s vertragen. Einer dieser Schinken-Rührei-Sandwiches mit Käse wäre genau richtig.«
    Ich rollte auf den Parkplatz von GPS und setzte die Jungs bei ihren Autos ab. Von Yul hatte mittlerweile endgültig Panik Besitz ergriffen; er sorgte sich darüber, dass Kim irgendwie auf unerklärliche Weise herausgefunden haben könnte, wo er gewesen war. Der Rücksitz war voll von Glitter. Wir veralberten ihn noch ein wenig deswegen, dann verabschiedeten wir uns voneinander. Yul begab sich mit angespannten Zügen auf den Heimweg, Darryl und Jesse brachen auf, um irgendwo zu frühstücken. Ich fuhr mit einem Mörderständer nach Hause und dachte an Sondra.
    Als ich meine Wohnung betrat, zischte mich Webster, mein Kater, an. Er war verärgert. Sein Fressnapf war noch halb voll, aber Webster hatte noch nie viel von ›halb voll‹ gehalten. Er betrachtete den Napf stattdessen stets als halb leer und wurde ziemlich stinkig, wenn ich ihn nicht ständig auffüllte. Was erklärte, weshalb er so fett war.
    Ich hatte ihn schon seit Jahren. Früher habe ich über eine Leihpersonalfirma im Werk von Harley Davidson gearbeitet, wenngleich ohne Möglichkeit, dort fest anzufangen, was ich schade fand, weil ich nur allzu gern den dortigen Gewerkschaftslohn verdient hätte. Jedenfalls fand ich Webster dort. Damals war er noch ein Kätzchen. Entweder hatte ihn jemand ausgesetzt und sich selbst überlassen, oder er hatte irgendwo ein Zuhause und war ein Streuner, der sich verirrt hatte. Einer meiner Kollegen entdeckte ihn hinter einem Bremsklotzstapel. Zum Glück. Hätten wir ihn nicht gefunden, wäre er getötet worden, wenn ein Gabelstapler die Bremsklötze angehoben hätte.
    Seine Augen waren noch kaum offen, so klein war er. Seine Haut war dünn, und die Rippen zeichneten sich darunter ab. Ich nahm ihn mit nach Hause, besorgte ihm spezielle Milch aus der Tierhandlung und fütterte ihn mit einer Puppenbabyflasche, bis er alt genug für richtiges Futter wurde. Seither lebte er bei mir. Mittlerweile war er groß, fett und mürrisch geworden. Er besaß ein pechschwarzes Fell, grüne Augen und einen Bauch, der beim Gehen waberte. Zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zählten Schlafen und Fressen. Er hatte noch sämtliche Krallen und wusste, wie man sie benutzte – sehr zum Leidwesen meiner Möbel. Mein Sofa und mein Lehnstuhl waren völlig zerfetzt.
    Webster hasste jeden, insbesondere Jesse. Jedes Mal, wenn mich die Jungs besuchten, knurrte und fauchte er Jesse an. Mich hingegen liebte er, was ich erwiderte. Ohne ihn wäre meine Wohnung ein wesentlich einsamerer Ort gewesen.
    Ich bückte mich. Webster ließ sich von mir hochheben. Ich kraulte ihm den Kopf und hinter den Ohren. Er schnurrte ein wenig, genoss die Zuwendung und verzieh mir, dass ich seinen Fressnapf vernachlässigt hatte. Nach einigen Minuten begann er, mit dem Schwanz zu wedeln, ein Zeichen dafür, dass er nicht mehr gehalten werden wollte, also stellte ich ihn auf den Boden und fütterte ihn. Danach hörte ich den Anrufbeantworter ab. Es lagen keine Mitteilungen vor. So wie immer. Auch auf dem Handy rief mich nie jemand an.
    In meiner Wohnung herrschte Stille. Ständig. Ich hasste das Gefühl, das mich dadurch beschlich. Deshalb schaltete ich die Stereoanlage ein und versuchte, die Stille mit Machine Head zu vertreiben.
    Trotz meiner kurzen Arbeitszeiten bei GPS besaß ich kein sonderlich aktives Sozialleben. Für gewöhnlich hing ich nach der Arbeit mit Darryl, Yul und Jesse rum. An Sonntagnachmittagen besuchte ich meine Familie, und wir aßen zusammen. Mom fragte mich jedes Mal, ob ich mit jemandem ausginge. Dad murmelte dann stets etwas bei sich. Ich glaube, er hielt mich für schwul. Hin und wieder spielte ich mit dem Gedanken, ihn zu veralbern und zu sagen, ich hätte einen Lebenspartner namens Andre, den ich liebte. Allerdings hatte mein Dad ein schwaches Herz, und wenn er einen Infarkt bekäme, wäre die Geschichte alles andere als spaßig.
    Gelegentlich ging ich allein ins Kino oder zusammen mit den Jungs zu einem Spiel oder Konzert. Damit hatte es sich so ziemlich. Keine Freundin. Es war schwierig, Mädchen kennenzulernen. Natürlich hatte ich zeitweise Liebschaften – One-Night-Stands

Weitere Kostenlose Bücher