Kill Whitey
Eis zu kratzen. Seine Fingernägel sind gebrochen und die Fingerspitzen blutig. Also er war doch noch lebendig. Unter dem Eis immer noch lebendig. Ist schwer zu töten, ja?«
»Ja«, sagte ich und verlor allmählich die Geduld. »Er war ein zäher Mistkerl, Sondra, aber ich verstehe immer noch nicht, was das alles mit Whitey zu tun hat.«
»Whitey ist auch schwer zu töten, ja?«
»Anscheinend.«
»Das ist so, weil Rasputin ist Whiteys ... wie sagt man? Tante?«
Yul kicherte. »Seine Tante? Du meinst, er war auch noch ein Zwitter?«
»Was ist das?«
»Eine Mischung aus Mann und Frau«, erklärte Yul. »Eine Frau mit Pimmel.«
»Nein«, entgegnete Sondra. »Nicht das. Rasputin war Whiteys Tante.«
»Ahne«, riet ich. »Du meinst Vorfahr, richtig?«
» Da . Verwandt. Das ist das Wort, das ich denke. Verwandt.«
Yul und ich starrten sie ungläubig an.
»Ist wahr«, beharrte Sondra. »Whitey ist Urenkel von Rasputin, aber ... unehelich. Sagt man so?«
»Ja, sagt man«, bestätigte Yul, ehe er sich mir zuwandte. »Glaubst du diesen Scheiß, Larry?«
»Seht ihr?« Sondra zog einen Schmollmund. »Ich vorher sage, dass ihr mir nicht glauben werdet. Deshalb ich es nicht erzählt.«
Ich erwiderte nichts. Ich war zu beschäftigt damit, über die Geschichte nachzudenken. Zakhar Putin alias Whitey Putin. Putin – eine Kurzform von Rasputin. Ich hatte den Scheißkerl mittlerweile zweimal angeschossen, und er verfolgte uns immer noch, offenbar unbeeinträchtigt.
Schwer zu töten.
Musste in der Familie liegen.
So verrückt sich das Ganze anhörte, für mich klang es plausibel. Was war die Alternative? Ich meine, wie sonst sollte ich all diesen Mist erklären? Sicher, man könnte meinen, Whitey sei auf Drogen. Ich habe gehört, PCP verleiht übermenschliches Stehvermögen. Die Fähigkeit, Elektroschockwaffen und Ähnlichem standzuhalten. Auch Methamphetaminsüchtige können eine Menge Schmerz vertragen, ohne in die Knie zu gehen. Aber ich hatte Whitey das verfluchte Ohr abgeschossen! Und ihn in die Schulter getroffen. Nie und nimmer hätte sich ein gewöhnlicher Mensch so schnell von diesen Verletzungen erholen können wie Whitey, auch dann nicht, wenn er zugedröhnt wäre. Allein der Blutverlust hätte ihn mittlerweile zu Fall bringen müssen.
Yul setzte zum Sprechen an, aber ich kam ihm zuvor. Ich sah Sondra in die Augen und sagte: »Na schön, ich glaube dir.«
»Wirklich?«
»Ja. Aber lass mich dir eine Frage stellen. Erinnerst du dich noch, wie du mich in meiner Wohnung gebeten hast, Whitey umzubringen?«
Sie nickte.
»Denkst du nicht, du hättest es mir vielleicht schon da erzählen können? Das wäre eine nützliche Information gewesen, bevor ich versucht habe zu tun, worum du mich gebeten hast.«
»Es tut mir leid. Ich war ängstlich, dass du dich machst lustig. Du bist jetzt wütend auf mich?«
»Nein«, gab ich zurück. »Ich bin nicht wütend. Nur frustriert – und ein wenig verdutzt. Ich muss zugeben, das war nicht, was ich zu hören erwartet hatte.«
»Wartet mal«, meldete sich Yul zu Wort. »Wenn dieser Rasputin ein Mönch war, wie konnte er dann Kinder haben? Leben Mönche nicht im Zölibat?«
Es war eine dumme Frage. Sondra hatte uns bereits geschildert, dass Rasputin als Lustmolch galt. Ich wollte Yul schon dafür schelten, dass er nicht zugehört hatte, gelangte jedoch zu dem Schluss, dass er ein Recht darauf hatte, ein wenig neben sich zu stehen. Wir waren alle ziemlich gestresst. Schließlich kam es nicht jeden Tag vor, dass jemand versuchte, einen zu töten.
»Er war kein richtiger Mönch«, erklärte ich ihm stattdessen. »Außerdem machte Rasputin kein Geheimnis daraus, verheiratet zu sein – und andere Frauen zu haben. Er hurte munter herum, während er durch Griechenland und nach Jerusalem reiste. Hatte in jedem Hafen eine andere Schnalle, falls du verstehst, was ich meine. Ich glaube, er hatte eine eheliche Tochter und Gerüchten zufolge auch jede Menge uneheliche Kinder. Ergibt Sinn. Wenn er so oft fremdging, hatte er wahrscheinlich mehr Uneheliche gezeugt, als irgendjemand weiß. Der Kerl war ein Spielertyp. Angeblich hat er es sogar mit der Frau des Zaren getrieben.«
Sondra nickte. »Das sagt man in Russland.«
»Scheiße«, sagte ich. »Wenn ich mich richtig erinnere, bedeutet Rasputin auf Russisch ›liederlich‹. Ich glaube, unsere Lehrerin hat uns das erzählt.«
Yul runzelte die Stirn. »Was heißt ›liederlich‹?«
»Es heißt, dass er gern gevögelt hat. Wie
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