Kill your friends
bevor man sich damit rumärgern muss, das Scheißteil in einen Hit zu verwandeln.
Nicht mal einen Meter entfernt kündigt Rudi mit einem lautstarken »Ja! Ja! Ja!« seinen Höhepunkt an. Ich setze mich auf und beobachte, wie er mit einem letzten gegrunzten »Ja!!« einen Strahl heißen teutonischen Spermas in das auf und ab wippende Franzosenköpfchen ballert, das schlagartig in den Nacken geschleudert wird, als hätte sich eine Schrotflinte in seinem Mund entladen. »Ahhhrguuuurrrrgel«, sagt das Köpfchen.
Einen Moment später steht Rudi auf und zieht den Reißverschluss zu. Wir prosten uns über dem Kopf meines Mädchens zu, und ich beobachte ihn, diesen Gentleman, diesen Mann, der zu seinem Wort steht, wie er sich die Stirn mit einem Taschentuch trockenwischt und durch den Perlenvorhang verschwindet, während seine Kellnerin würgend in die Ecke krabbelt und sein Sperma in einen Weidenkorb spuckt.
Gleich geht’s ab nach Hause, denke ich.
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Dank der Spice Girls hat Virgin einen 88,9-prozentigen Anteil am Singles-Markt +++ Die neuen Moderatoren der Radio-1-Frühstücksshow heißen Mark und Lard +++ Der Kurs der EMI-Aktien ist abgestürzt +++ Blue Boy und Vitro sind angesagte neue Bands +++ No Doubt haben eine Nr.-1-Single +++ Alan McGee bereitet die Veröffentlichung des Debütalbums von 3 Colours Red vor. Er kündigt an: »Mit dem zweiten oder dritten Album werden wir fünf Millionen verkaufen. Nehmt mich beim Wort. Die Band wird gigantisch.« +++ Ein paar Kerle werden für den Mord an diesem schwarzen Jungen verknackt, Stephen Soundso +++ Die Brit Awards finden statt.
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»Die Meinung einer Frau ist in der Musikindustrie keinen Penny wert.«
Loretta Lynn
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Niemanden hält es mehr auf seinem Platz, alle flanieren von Tisch zu Tisch. Das Schnarren der Konversation schwillt an, und kein Schwein kümmert sich noch um die Bee Gees, die, unglaublicherweise, etwa dreißig Meter entfernt, immer noch auf der Bühne stehen und für das Fußvolk zu Hause vor den Bildschirmen ihre größten Hits herunterschwurbeln. Ihre Nerven zerfetzenden Harmoniegesänge wehklagen über die desinteressierte Menge hinweg und flattern hinauf in die Dunkelheit, wo sie im Stahlbetongewölbe des Earls Court verschwinden. Möglicherweise klingt das im Fernsehen ja ganz gut.
Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück, weg von meinem kalten, unberührten Abendessen – Lachs, Broccoli und junge Kartoffeln –, und massiere mir mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken. Ich schniefe heftig, und es knackt in meinen Ohren, als sich der Koksbrocken löst und meine Kehle hinunterschießt. Er schmeckt angenehm stark und bitter. Ich lockere meine Krawatte, spüle den Klumpen Marschierpulver mit lauwarmem Chardonnay runter und tue, als würde ich Desoto zuhören, während ich die Menge nach lohnenderen Gesprächspartnern scanne: Lucian Grange von der Polydor, Keith Blackhurst von Deconstruction, Nancy Berry von Virgin, Colin Bell von London Records und Matt Jagger. Ferdy Unger-Hamilton von Go! spricht mit Derek, Pete Tong und einem Kerl aus Irland. Unger-Hamilton hat seinen Arm um Gabrielle gelegt, deren Auszeichnung als »Best British Female Artist« vor ihnen auf dem Tisch steht. Rob Stringer lacht sich halb schlapp, während er mit einem der Jungs von den Manie Street Preachers quatscht, deren Awards auf dem Tisch neben ihnen stehen. Frank Skinner, Vinnie Jones und Simon Cowell von der BMG, irgendein Soap-Star, einer der Trainspotting-Typen und Geri Halliwell. Der Sänger von Kula Shaker und Sonys Muff Winwood. Geri von den Spice Girls wackelt vorbei, in der einen Hand eine Flasche Champagner, und ihre enormen Arschbacken quellen unter dem aberwitzigen Union-Jack-Minikostüm hervor, das sie während ihres Auftritts trug. Ich winke einem Mädchen zu, das ich vage wiedererkenne. Anita, oder so. Ich glaube, sie ist A&R-Koordinatorin drüben bei der BMG. Sie trägt ein knappes, schwarzes Kleid, vom Stil her irgendwie chinesisch, golden gemustert, geschlitzt bis hoch zu den Oberschenkeln und bis tief zwischen ihren Brüsten ausgeschnitten. Ihr Haar ist zu einem kurzen Bob geschnitten. Ich vermute, normalerweise zieht sie sich eher indiemäßig an – T-Shirts, Turnschuhe, Jeans. Sie winkt zurück und haucht mir einen Kuss zu. Hallo.
»Oi, du Opfer!« Trellick klopft mir auf den Schenkel und brüllt über die Musik: »Hör zu, Alter, das ist gut.« Ich drehe mich um, beuge mich zu Trellick und Desoto vor. Hinter ihnen versuchen
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