Killashandra
von Angel Island in Killashandras Augen primitiv und gemütlich erschienen war, dann war der North Harbor das genaue Gegenteil — jedenfalls, soweit es die Charta zuließ, welche die Mißhandlung einer >natürlichen Welt< verbot. Die modernen farbenprächtigen Gebäude über dem Hafen hinter den stabilen Wellenbrechern waren aus hartem Plastik und einer ganzen Menge Plexiglas gebaut, so daß den Bewohnern nichts verborgen blieb.
Auch wenn der Architektur Wärme oder Schönheit fehlte, so war sie doch sehr praktisch für ein Gebiet, in dem der Wind aus jedem Brotbaumast ein gefährliches Geschoß machen konnte.
Lars führte Killashandra eine Rampe hinauf, die zum Bergipfel auf dem Ellbogen führte. Von einem Aussichtsturm konnten sie den Haupthafen und die kleine Bucht überblicken, die von dem alten Vulkan auf dem Kopf des Engels beherrscht wurde. Ein kleines Segel-boot manövrierte behutsam durch die Riffe vor den Fingern am Ende der Hand. An den unterschiedlichen Farben des Wassers konnte Killashandra den sicheren tiefen Kanal erkennen, doch sie wäre bestimmt nicht bereit gewesen, ein Schiff von der Größe der Pearl hindurchzu-steuern.
Zu ihrer Überraschung war Nahia die erste Person, die sie sahen, als sie das Büro des Hafenmeisters betraten. Sie hatte am Terminal gearbeitet, und als die beiden eintraten, richtete sie sich halb auf und wartete begierig auf Lars'
Bericht über die ausgesetzte Kristallsängerin.
»Wir brauchen uns für eine Weile keine Sorgen um unsere Gefangene zu machen, Nahia.« Lars ging zur Empathin und küßte ihr die Hand, bevor sie protestieren konnte.
»Lars, du mußt wirklich damit aufhören«, schimpfte Nahia. Sie warf Killashandra einen besorgten Blick zu.
»Warum denn? Ich erweise dir nur die Höflichkeit, die du verdienst.«
Würde Lars bei Nahia Trost finden, wenn sie Optheria verlassen hatte?
»Also geht es der Frau gut, Carrigana?« Nahia war durch Lars' eigenartigen Kommentar alles andere als beruhigt.
»Es ist ihr noch nie besser gegangen«, antwortete Killashandra hinterhältig. Sie fragte sich, warum Lars das Spiel noch weitertrieb, nachdem er ausdrücklich gesagt hatte, daß er Nahia nicht täuschen wollte. Sie warf ihm einen scharfen Blick zu.
»Wo ist Vater?«
»Ich bin hier, Lars, und ich bringe Ärger mit«, sagte der Hafenmeister, der gerade aus dem vorderen Büro eintrat.
»Ich bin froh, daß der Sturm aufgekommen ist, denn er hat die Regierungsbeamten etwas aufgehalten. Die Inseln werden gründlich abgesucht. Torkes leitet die Suchaktion, und es wäre ausgesprochen dumm, wenn wir protestieren oder ihn behindern würden.«
»Dann ist es ja ein Glück, daß die Kristallsängerin gerettet wurde«, sagte Killashandra.
»Wirklich?« Olav Dahl sah sich erstaunt um und wollte sogar draußen nachsehen, um die Frau zu suchen.
Doch Nahia hatte begriffen und drehte sich mit aufgerissenen Augen zu Killashandra um.
»Und zwar, Olav Dahl, von deinem mutigen Sohn, der sie ausgesetzt auf einer Insel fand, während er nach dem Sturm auf einer Rettungsmission war.«
»Junge Frau, ich...«, begann Olav Dahl, der angesichts ihres amüsierten Tonfalls die Stirn runzelte.
»Du bist Killashandra Ree?« fragte Nahia, die wunderschönen Augen fest auf Killashandras Gesicht gerichtet.
»Wirklich, ich bin es. Und ich bin dem tapferen, mutigen optherianischen Bürger Lars Dahl so dankbar, daß ich mißhandelte Kristallsängerin mich nur in seiner Gegenwart wirklich sicher fühle.« Killashandra starrte Lars einfältig an.
Nahia legte eine schlanke Hand vor den Mund, um das Lachen zu unterdrücken.
»Ist es richtig, daß es zu deinen Amtspflichten gehört, auf der Stelle das Behördenboot von dieser guten Neuigkeit zu unterrichten?« fragte Killashandra Olav Dahl und lächelte ihn liebenswürdig an, um ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Olav Dahl betrachtete Killashandra, und sein Gesichtsausdruck wurde immer ernster, so als könne er nicht glauben, was er gehört hatte. Er wollte ihre muntere Stimmung nicht auf sich überspringen lassen, und höchstwahrscheinlich würde er auch ihre Hilfe nicht annehmen. Er setzte sich auf die Schreibtischkante und starrte sie erstaunt an. Killashandra wunderte sich schon, wie dieser Mann Lars' Vater sein konnte, doch plötzlich erhellte ein belustigtes und ausgesprochen boshaftes Grinsen sein Gesicht. Er stand wieder auf und streckte ihr eine Hand entgegen. Er schien wirklich erleichtert.
»Meine liebe Gildenfrau, darf ich Ihnen
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