killer country: thriller (German Edition)
hatte, als die Gebeine von Sklaven auf dem Grundstück ausgegraben wurden. Sie hatte das Ganze zu ihrer Sache gemacht und den Bauherrn Millionen gekostet. Außerdem war es ihr gelungen, die halbe Stadt gegen diesen Mann aufzubringen, weil den Überresten ihrer Vorfahren kein Respekt gezollt wurde. Telman Visser hatte ihren Einsatz verstanden. Umso weniger verstand er, warum sie jetzt Anwältin eines Mannes wie Obed Chocho war. Chocho würde normalerweise einen Rechtsvertreter über das Black Lawyers Forum suchen. Einen Schwarzen. Dass er einen Bruder durch eine Coloured ersetzt hatte, machte Telman Visser stutzig.
»Richter Visser?«, fragte Sheemina February. »Sind Sie noch da?«
»Ja«, erwiderte er.
»Richter Visser«, sagte sie. »Ich möchte einen Antrag stellen, meinen Mandanten aus familiären Gründen vorzeitig zu entlassen.«
»Ich bin kein Bewährungsbeamter«, entgegnete er. »Was hat das mit mir zu tun?«
»Ich weiß«, antwortete sie. »Es tut mir leid, Sie an einem Sonntag zu Hause zu stören. Aber ich glaube, dass ich gute Gründe habe.«
»Ich höre.«
»Mein Mandant soll nächstes Wochenende vorzeitig entlassen werden. Schon am Freitag. Nun ist …« Sie machte eine Pause. »Seine Frau wurde ermordet. Unter diesen Umständen stelle ich den Antrag, ihn schon früher zu entlassen.«
»Das tut mir leid«, sagte der Richter. »Trotzdem verstehe ich nicht … Das ist die Angelegenheit der Gefängnisbehörde, oder etwa nicht?«
»Natürlich«, gab Sheemina February zurück. »Ich habe mich mit dem Commander der Strafvollzugsanstalt in Verbindung gesetzt, und er hat keine Einwände. Das Gleiche gilt für die Bewährungsbeamten.«
»Aber?«
»Der Antrag benötigt die Genehmigung durch einen Richter. Sie sind der Richter, der Mr Chocho verurteilt hat, der Justizbeamte, der seinen Fall und seinen Charakter am besten kennt, deshalb dachte ich, dass Sie auch am meisten mit ihm mitfühlen würden.«
Sie hielt inne. Richter Visser spürte etwas Manipulatives in diesem Moment der Stille, im Sog ihrer Worte. Er bewunderte ihr Timing, als sie sich genau in dem Augenblick erneut zu Wort meldete, als er ihr gerade antworten wollte.
»Mr Chocho ist verzweifelt, wie Sie sich bestimmt vorstellen können. In diesem Zustand kann er das Gefängnis natürlich heute Abend noch nicht verlassen.«
»Verstehe«, sagte der Richter.
»Wenn es nicht geht«, fuhr Sheemina February fort, »dann geht es eben nicht.«
»Nein, nein«, erwiderte er. »Ist schon in Ordnung.« Er machte ebenfalls eine Pause, ehe er hinzufügte: »Wie wurde seine Frau ermordet?«
»Erschossen. Die Polizei vermutet, dass es sich um einen Raubüberfall gehandelt haben muss.«
»Bei ihr zu Hause?«
»Nein, sie besuchte gerade einen Kollegen.«
»Wie schrecklich«, sagte er. »Warten Sie einen Augenblick.«
Richter Telman Visser legte den Hörer beiseite und trank einen guten Fingerbreit seines Scotch. Wenn der Mann ohnehin in fünf Tagen freigelassen werden sollte, konnte nichts dabei sein, ihn bereits etwas früher gehen zu lassen. Wie sollte die Öffentlichkeit sein Handeln anders interpretieren als ein Zeichen von Mitmenschlichkeit? Würde er das Gleiche für einen gewöhnlichen Gefangenen tun? Wahrscheinlich nicht. Aber Obed Chocho war kein gewöhnlicher Gefangener. Er nahm den Hörer wieder auf.
»Miss February, morgen Nachmittag in meiner Kanzlei.«
»Ich weiß es zu schätzen, Richter Visser«, erwiderte sie. »Ich schulde Ihnen einen Gefallen.«
»Nein, tun Sie nicht«, entgegnete er. »Ihr letzter Hinweis hat sich als äußerst hilfreich erwiesen.«
»Freut mich. Er ist gut, dieser Mace Bishop«, sagte sie. »Ideal für eine solche Situation.« Damit legte sie auf.
Der Name erinnerte den Richter daran, dass er noch immer nicht Mr Bishops Einwilligung hatte, tatsächlich die Farm zu besuchen. Ohne den Hörer aufzulegen, rief er ihn auf dem Handy an. Er erreichte nur die Voicemail. Also hinterließ er die Nachricht, ihn dringend zurückzurufen. Als Nächstes versuchte er es bei Mace Bishop zu Hause. Christa Bishop hob ab.
Er nannte ihr seinen Namen: Richter Visser. Er wisse, dass ihr Vater nicht im Lande sei, aber sobald er zurück wäre, solle er ihn anrufen – ganz gleich, um welche Uhrzeit.
»Bitte«, sagte er. »Es ist wichtig. Äußerst wichtig.«
Als er auflegte, merkte er, dass sein Herz wie wild pochte. Er war ein wenig atemlos. Um das Keuchen wieder unter Kontrolle zu bekommen, hielt er sich an den Armlehnen seines
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