KillerHure
geheimnisvollen Basteleien an der Ausrüstung oder der Maschine beschäftigt. Harraf und Brendan sitzen gemütlich in der Kabine und halten Kriegsrat. Ich und die automatischen Winden segeln das Boot.
»Ich löse dich ab. Der Colonel braucht dich unten«, meint Jerzy und wirft einen zweifelnden Blick in die Takelage. Die brettharten Segel und die straffgespannten Drahtseilwanten singen und knattern im Wind.
»Aber gern!« Ich lasse das Ruderrad los und er greift mit einem bösen Blick in meine Richtung hastig danach, bevor das Boot unkontrolliert abfallen kann. Mein süßestes Lächeln ist sein Lohn.
Unten klirrt das Geschirr in den Schränken und das trübe Tageslicht dringt nur durch einige Bullaugen herein. Leider ist die »Cartouche« sehr modern eingerichtet: kein Teakholz, kein Leder, keine Atmosphäre. Kaum ein Funke von alter Seglerromantik ist übrig. Bren und Harraf brüten über einigen Papieren und beachten mich nicht. Sie sprechen in einer unbekannten Sprache miteinander. Persisch? Arabisch? Hört sich jedenfalls undefinierbar orientalisch an.
Ich schäle mich aus dem übergroßen Plastikmantel und streife auch gleich den vom Spritzwasser gut durchfeuchteten Sweater mit ab, bevor ich mich lautstark zu den beiden auf die harte Eckbank fallen lasse und mir einen Kaffee aus der Thermoskanne genehmige. Auch hier unten ist es nicht allzu warm, und da ich jetzt nur noch ein weißes, ebenfalls nicht mehr völlig trockenes T-Shirt ohne etwas darunter trage, stechen meine Brustwarzen durch den dünnen Stoff wie Brombeeren. Kein Fehler, denke ich. Das passt doch gut zu dem Image einer ungezogenen, gewalttätigen Göre, einer kindlichen Killerhure, das ich nach Kräften poliere, seit ich in diesem neuen Team spiele. Außerdem wärmen Brens Blicke so schön.
»Es geht um deinen nächsten Auftrag«, sagt Harraf übergangslos.
»Auftrag? Ich habe doch gerade erst einen ausgeführt«, beschwere ich mich. »Jetzt brauche ich erst Mal Urlaub.«
»Antonia war noch nicht der Auftrag, das war deine Eintrittskarte«, bescheidet mich der Colonel kühl. »Dein Gesellenstück, sozusagen. Ein Test. Positiv verlaufen, würde ich meinen.«
»Oh, danke, tausend Dank, danke vielmals!« Ich verneige mich unterwürfig im Sitzen. »Ich brenne darauf, mich gleich wieder in die Schlacht zu stürzen und mich für das Wohl des Großen Ganzen zu opfern. Wo ist mein Sprengstoffgürtel?«
Bren trinkt hastig einen Schluck Kaffee, um sein Gesicht zu verbergen. Der Colonel sieht mich an wie etwas mit zu vielen Beinen und Fühlern, das gerade unter einem Stein hervorgekrochen ist. Dann schiebt er mir wortlos einige Fotos über den Tisch.
Die gestochen scharfen Schwarzweißbilder zeigen einen Mann an Bord eines Segelbootes, gar nicht unähnlich dem unseren. Nur das Wetter scheint dort besser zu sein. Er trägt eine schicke Sonnenbrille und ein weißes Käppi, und die Ärmel seines breitgestreiften Seglershirts enden über den Ellenbogen. Ich würde meinen Hintern verwetten, dass die Streifen dunkelblau und seine Arme braun gebrannt sind, auch wenn das auf den Fotos nicht zu erkennen ist.
Am Gesicht des Mannes fällt mir zuerst der empfindsame Mund auf. Ich runzle die Stirn, weil ich nicht dahinter komme, was mich zu dieser Annahme bringt. Seine Lippen sind weder besonders voll noch besonders schmal. Dennoch hat er einen Zug um die Lippen, der mich seltsam berührt. Die Augen sind hinter den dunklen Schalen der Brillengläser verborgen, aber ich stelle sie mir tief und verständnisvoll vor. Interessant!
Ansonsten ergibt die Durchsicht der Fotos wenig zusätzliche Informationen. Jemand hat sie im Hafen vom Nachbar-Pier aus geschossen, vermutlich verdeckt. Die Segel des Bootes sind sauber aufgeschossen, links und rechts sind weitere Liegeplätze belegt. Die Serie zeigt nur, wie der Mann etwas in ein Buch schreibt und einmal nach oben schaut, den Mast entlang. Gerade, als ich die Fotos zurückschieben will, fällt mir noch etwas auf. Über einer Reling, gerade noch erkennbar, hängt ein Kleidungsstück, das nicht ihm gehören kann. Es ist viel zu schmal, anscheinend bunt gemustert und mit kleinen, dreidimensionalen Objekten auf der Vorderseite besetzt. Strasssteine.
»Wer ist das Mädchen?«, frage ich neutral.
Der Colonel wirft Bren einen schnellen Blick zu. Der zieht nur belustigt die Augenbrauen hoch.
»Das ist Natalie, seine Tochter. Zehn Jahre alt«, meint Harraf dann. »Er heißt Thierry Charles Friboire. Beide befinden sich
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