Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
Einmal saß der Hund hinten im Auto, ein anderes Mal saß meine Frau während der Fahrt neben mir, ich hatte immer so eine Ausrede parat, jetzt gerade nichts unternehmen zu können.«
»Du hast eine Vielzahl von Patienten getötet. Hattest du eine bestimmte Vorgehensweise?«
»Das war immer derselbe Ablauf. Immer mit der Spritze. Manche Patienten kannte ich schon länger, aber nicht alle. In dem Punkt gab es kein Muster.«
»Unter den Opfern soll es sterbenskranke, aber auch solche Patienten gegeben haben, die das Krankenhaus wieder hätten verlassen können …«
»Im Nachhinein ist bei der Gerichtsverhandlung aufgrund von Gutachten herausgekommen, dass von den Patienten keiner mehr das Krankenhaus verlassen hätte. Alle wären innerhalb der nächsten Stunden oder Tage, eher Stunden, sowieso gestorben.«
Ich habe den Eindruck, dass Thomas Bracht das Motiv Sterbehilfe ins Spiel bringen will, das er in den anderen Gesprächen bisher verneint hat. Deshalb hake ich an diesem Punkt nach.
»Wusstest du denn zum Zeitpunkt der Tötungen, dass die Patienten auch ohne deine Spritzen sterben würden?«
»Das war mir überhaupt nicht bewusst. Das habe ich auch erst hinterher erfahren, dass es so ausgegangen wäre. Das ist erst durch die Gutachten und die Obduktionen herausgefunden worden. Ich hatte wirklich keine Ahnung.«
»Also spielte der Gesundheitszustand der Patienten für dich keine Rolle?«
»Das weiß ich nicht mehr.«
Dass er sich in einem Fall nicht mehr an diesen Aspekt erinnern kann, halte ich für möglich, auch in einem zweiten oder dritten – aber grundsätzlich? Bevor ich eine neue Frage stellen kann, erzählt er weiter.
»Etwas näher gebracht hat mir das damals ein Verwandter meines Anwaltes, der ist Arzt. Der hat sich die ganzen Krankenakten durchgeguckt, weil er mit der Sache nichts zu tun hatte und neutral war. Und der sagte auch: Wenn man es nicht besser gewusst hätte, wäre bei allen Patienten ein natürlicher Tod völlig normal gewesen. Und es ist auch bei keinem Patienten hundertprozentig bewiesen, dass da jemand irgendetwas gemacht hat. Ich bin nur verurteilt worden, weil ich ausgesagt habe. Hätte ich geschwiegen, wäre die Sache ganz anders ausgegangen.«
»Warum hast du denn ein Geständnis abgelegt?«
»Der Leidensdruck war einfach zu groß. Es gab für mich nur zwei Alternativen: entweder schweigen und gegen einen Baum fahren oder aussagen und weiterleben. Ich bin froh, dass ich mich für das Leben entschieden habe.«
»Du sagst zu Recht, dass ohne dein Geständnis viele Taten nicht hätten aufgeklärt werden können. Würdest du im Nachhinein sagen, du hast dich bei den Tötungen geschickt angestellt?«
»Nee. Ich war nicht geschickt. Überhaupt nicht. Darum habe ich mir gar keine Gedanken gemacht. Das wäre sonst eine bewusste Planung und eine bewusste Tat gewesen. Ich bin nicht zum Dienst gekommen oder in ein Zimmer reingegangen mit dem Vorsatz, einen Menschen zu töten. Niemals.«
Ich bin überzeugt, Thomas Bracht mauert. Es erscheint mir wenig plausibel, dass jemand x-mal in eine – wie er sich ausdrückt – »Situation« gerät, die schon kurz darauf in die vorsätzliche Tötung des Patienten mündet. »Sind wir jetzt wieder an so einem Punkt, wo du eine Ausrede bemühst?«
»Kritisieren tue ich mich insofern, dass ich nicht die Konsequenz gezogen und gekündigt habe. Sicher spielen da auch Existenzängste mit hinein – was hätte ich machen sollen ohne einen Arbeitsplatz?«
»Das ist aber eine ziemlich egoistische Perspektive …«
Thomas Bracht überhört meine Bemerkung, jedenfalls geht er nicht näher darauf ein, als er weiterspricht.
»Dass ich nicht schon vor der ersten Tat die Station gewechselt habe, das ist es, was ich mir vorwerfe. Da wäre Zeit gewesen. Da wäre es auch logisch gewesen, zu gehen. Weil mit jemandem weiter arbeiten zu müssen, der einen am beruflichen Fortkommen hindert, macht nicht wirklich Spaß. Ich hätte also schon die Möglichkeit gehabt, mich rechtzeitig zu verändern. Und das hätte ich auch tun sollen. Ich habe es aber nicht getan. Und das ist es, was mich bis heute beschäftigt. Nicht rechtzeitig gemerkt zu haben, dass da jetzt etwas mit mir passiert, das mit Existenzängsten eigentlich nichts zu tun hat, sondern mich selber zerstört.«
»Dann kam der Tag X. Du wurdest festgenommen. Wie hast du das erlebt?«
»Das ging alles relativ schnell. Ich wurde nach vorne gebeten zum ärztlichen Direktor. Auf einmal standen da zwei
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