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Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)

Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)

Titel: Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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eine neue Infusionsflasche dranzuhängen. Wenn ich da hineingehe mit dem Ziel, dem Menschen Schaden zuzufügen, dann ist das für mich eine bewusste Handlung. Mit so einer Vorstellung bin ich aber nie in ein Zimmer reingegangen. Niemals. Wenn ich das bewusst und vorsätzlich gemacht hätte, dann wäre die Geschichte für mich klar. Dann wäre ich wirklich jemand, der diesen Beruf nur ausübt, um anderen zu schaden. Dann wäre das ganz einfach. Dann wäre ich ein schlechter oder brutaler Mensch.«
    »Wir sind eigentlich schon ziemlich nah beieinander. Zwischen uns beiden steht nur diese Tür. Ich glaube schon, dass du die Tür aufgemacht hast, um eine Tat zu begehen. Aber letztlich ist es aus juristischer Sicht egal, ob du diesen Entschluss vor der Tür gefasst hast oder erst, als du vor dem Patienten gestanden hast.«
    Wir sind an einem wichtigen Punkt angelangt. Thomas Bracht will partout nicht einsehen, dass er vorsätzlich gehandelt hat. Dabei ist dieser Aspekt unstrittig. Allerdings muss ich ihn erst davon überzeugen, will ich einen Schritt nach vorne tun und den motivischen Hintergrund erfahren.
    »Wenn ich diesen Entschluss ganz bewusst gefasst hätte, dann würde ich dir zustimmen«, versucht er mich weiter zu überzeugen. »Aber bei mir war es im Prinzip ein Automatismus, zumindest teilweise. Ich habe immer wieder zu mir gesagt: Du willst es nicht tun. Du machst so was nicht mehr. Ich war aber einfach nur zu schwach, um eine neue Tat zu verhindern. Da reinzugehen, um gezielt jemand zu töten, das ist etwas, was mir absolut widerstrebt. Und da weiß ich auch, dass ich da richtigliege.«
    »Woher weißt du das denn so genau? Komisch ist doch, dass du dich in erster Linie an solche Dinge erinnern willst, die deine Taten als Verkettung unglücklicher Umstände darstellen, für die du nichts konntest …«
    »Ich weiß aber, dass es so war, wie ich es sage. Ich weiß, dass ich da niemals hineingegangen bin mit dem Vorhaben, irgendjemand etwas anzutun. Dann wäre ich ja klar damit. Damit könnte ich vielleicht sogar halbwegs umgehen. Dann wäre ich jetzt auch ein anderer Mensch. Dann wäre ich einfach kaltherzig. Das kann man nur machen, da reingehen und so, wenn man keinerlei Gefühle hat. Selbst wenn ich sage: Okay, ich bin damals selber im Prinzip gestorben, und als ich verhaftet wurde und in den Knast kam, da war ich eigentlich tot, aber so kaltherzig war ich nie. Ich hatte immer noch Gefühle.«
    Thomas Bracht hat etwas gesagt, dass ich in dieser Form zum ersten Mal höre: Wenn er mit direktem Tötungsvorsatz gehandelt hätte, wäre er ein schlechter Mensch. Diesen Aspekt möchte ich vertiefen.
    »Deinen Gedanken von eben finde ich sehr interessant: Jeder Mensch, der einen anderen Menschen vorsätzlich tötet, ist ein schlechter Mensch. Wie ordnest du dich in dieses System ein?«
    »Ich weiß nicht, ob ich ein schlechter Mensch bin. Wenn ich tatsächlich mit vollem Bewusstsein gehandelt hätte, dann wäre es für mich ganz klar, dass es so wäre.«
    »Lassen wir mal den Begriff ›schlechter Mensch‹ beiseite. Was ist an deinen Taten verwerflich gewesen?«
    »Dass ich jemandem etwas tue, was nicht rechtens ist. Dass ich jemand etwas tue, um ihm zu schaden.«
    »Das überzeugt mich nicht.«
    »Aber mich. Wenn ich irgendwo hingehe und mache bewusst etwas, um jemandem zu schaden, ist das etwas, was eigentlich gegen meine Lebensüberzeugung ist.«
    »Okay, ich nehme dir ab, dass du die Sache heute so siehst. Aber damals?«
    »Ich bin nie zu einem Patienten ins Zimmer gegangen, um ihm zu schaden, sondern um demjenigen zu helfen. Wenn das anders gewesen wäre, das wäre vorsätzliches und kriminelles Tun.«
    An dieser Stelle will ich noch einmal nachhaken. Denn wenn er sich mit dieser Erklärung zufriedengibt, ist der Weg zum Motiv für die Tötungen verstellt. Also versuche ich es noch einmal.
    »Thomas, wenn ich dich richtig verstanden habe, glaubst du, Tötungen begangen zu haben, aber kein schlechter Mensch gewesen zu …«
    Mein Einwand zeigt Wirkung, er unterbricht mich.
    »Ich hatte auch Angst vor mir selber, dass ich überhaupt in der Lage bin, so etwas zu tun.«
    »Gut. Wenn du damals bei den Tötungen kein schlechter Mensch gewesen bist – ein guter Mensch warst du aber doch wohl auch nicht, oder?«
    Kopfnicken.
    »Was warst du denn für ein Mensch?«
    Die Antwort kommt spontan. Thomas Bracht spricht jetzt wieder sehr schnell.
    »Ich war gar kein Mensch in dieser Situation. Ich war nicht ich selbst.

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