Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
reingesteigert.«
Weil er auf Sexualität mit einer Frau nicht gänzlich verzichten wollte, ging er gelegentlich zu Prostituierten. Dabei stellte er jedoch fest, dass er zu einem normalen Geschlechtsverkehr nicht fähig war.
»Es klappte einfach nicht. Ich hatte auch große Angst davor, einfach die Angst, zu versagen. Ich habe es einige Male versucht, dann aber gelassen. Man kann schon von einem Hass auf Frauen sprechen.«
Spurensuche Sozialverhalten: Über seine Probleme und abnorme Veranlagung konnte er mit niemandem sprechen, vielmehr war er stets darauf bedacht, seine dunkle Seite zu verbergen und nach außen möglichst unauffällig zu wirken.
»Ich hatte wenig Selbstvertrauen, war unsicher und ängstlich. Jede Entscheidung fiel mir schwer. Konflikten bin ich möglichst aus dem Weg gegangen. Ich fühlte mich einfach nicht stark genug, das auszuhalten. In mir war immer eine große Anspannung, ich war voller Hemmungen. Deshalb habe ich auch sehr viel gegrübelt.«
Und genau so wurde er auch von seinem sozialen Umfeld wahrgenommen. So berichtete beispielsweise ein Kommilitone bei der Kripo über Thomas Graber: »Er war sehr zurückhaltend. Bei Treffs in der Uni wirkte er auf mich irgendwie verkrampft. Er nahm zwar schon am Gespräch teil, stand aber nie im Mittelpunkt. Ohne das genauer konkretisieren zu können, hatte ich den Eindruck, dass er bei diesen Treffs etwas verschämt wirkte. Im Laufe der Zeit wurde er etwas lockerer. Ich kann mich daran erinnern, dass ich mal vorschlug, mit ihm in eine Diskothek zu gehen. Wir taten das auch. Aber dort sagte er mir dann, dass er eigentlich gar nicht weiß, was man in einer Diskothek machen soll, und er das früher nicht gemacht hat.« Ansonsten sei er immer hilfsbereit, liebenswürdig und nicht aggressiv gewesen.
»Bei mir hat sich eigentlich alles um die Arbeit gedreht. Ich bin morgens um halb sieben aufgestanden, habe mich geduscht und angezogen, danach gefrühstückt und noch Nachrichten gehört, bevor ich in die Uni gefahren bin. Dort habe ich keine Vorlesung verpasst. Abends habe ich noch den Lernstoff nachbereitet. Danach habe ich mich in meine Phantasiewelt begeben. So war das im Grunde immer. Einen Freund oder eine Freundin im engeren Sinne habe ich nie gehabt. Da war immer die große Angst, dass mal einer rauskriegt, was mit mir eigentlich los war.«
Resümee: Insbesondere eine eher freudlose Kindheit, die gestörte Eltern-Sohn-Beziehung, diffuse Versagensängste sowie die erst sehr spät einsetzenden und nahezu ausschließlich auf sich selbst bezogenen sexuellen Aktivitäten verhinderten bei Thomas Graber eine geschlossene Entwicklung seiner Persönlichkeit. Seine innere Zerrissenheit, das ungewöhnlich starke Abdriften in abnorme gedankliche Erlebniswelten und die enorme Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit wusste er geschickt zu verbergen. Sein soziales Handeln war in erster Linie darauf ausgerichtet, den Anschein des anständigen und unauffälligen jungen Mannes zu wahren.
Thomas Graber zeigte seit seiner Kindheit ein ausgesprochen einzelgängerisches Verhalten, das er später im Beruf mit seiner durchaus vorhandenen Kontaktfähigkeit zu kaschieren wusste. Auch im Rahmen seltener engerer Kontakte mit Studienkollegen blieb er stets freundlich-reserviert und distanziert, ohne eine vertrauensvolle Beziehung anzustreben oder zuzulassen. Er war grundsätzlich nicht in der Lage, sich anderen Personen zu öffnen. Das ihn quälende Unvermögen, Gefühle zu zeigen, und die fortwährende sexuelle Frustration führten schließlich zu einer negativen und gewaltbesetzten Fixierung auf Frauen.
Eine hochgradige Unsicherheit bei der Suche nach einem Sexualpartner, die sich im Wesentlichen auf gelegentliche Kontakte mit Prostituierten beschränkte, der sich allmählich entwickelnde Hass auf das weibliche Geschlecht, vor allem aber die Flucht in eine beliebig formbare Phantasiewelt, in der Thomas Graber sich als mächtig und überaus potent erlebte, führten letztlich zu einer inneren Verrohung und generierten das Verlangen, die Aggressionen und Wunschträume endlich auch in der Realität auszuleben, ohne Rücksicht nehmen und Gefühle für die Opfer zulassen zu müssen.
Doch eines Tages gerät er an ein Opfer, das ihn aus der Fassung bringt. Heidi Jäger reagiert nicht auf den Mörder, sondern auf den Menschen dahinter. Statt die tatsächliche akute Lebensbedrohung ernst zu nehmen, zeigt sie Mitgefühl – etwas, das Thomas Graber nicht kennt, nicht aus
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