Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
bedroht das Opfer mit einem Messer, schlägt wuchtig mit der Faust mehrmals ins Gesicht der Frau und würgt sie. Doch auch in diesem Fall kommt der Täter nicht ans Ziel: Die Frau redet intensiv auf den Mann ein, der kurz darauf flieht.
Alle Taten haben eine Gemeinsamkeit, für die ich zunächst keine Erklärung finde: Joachim Mattock hätte die Gelegenheit gehabt, die Opfer zu vergewaltigen und auch zu töten, doch er tat es nicht. Erstaunlicherweise entschied er sich in den kommenden zwei Monaten bei zwei sehr ähnlich ablaufenden Überfällen genau andersherum und tötete die Opfer durch multiple Stichverletzungen in Brust und Hals – die sich ebenfalls vehement wehrenden Frauen wurden mit einem Original Bowie Knife förmlich niedergemetzelt.
Ich stehe vor einem Rätsel: Warum tötete Joachim Mattock dreimal, während er die anderen Opfer am Leben ließ? Wie war es möglich, dass ein wegen Mordes Vorbestrafter nur wenige Monate nach seiner Freilassung rückfällig wurde, erst zum Serienvergewaltiger und kurz darauf gar zum Serienmörder wurde? Was hatte es mit seiner Vorverurteilung auf sich? Wie wurde der Mann überhaupt zum Mörder?
Und dann ist da noch ein Aspekt, der mein besonderes Interesse weckt: Joachim Mattock wurde auf einem »wilden« Campingplatz festgenommen, nur etwa 800 Meter von jener Stelle entfernt, an der er sechs Tage zuvor sein letztes Opfer ermordet hatte. Warum war er nicht schon längst geflüchtet? Weshalb trug er die Tatwaffe immer noch bei sich? Wieso wartete er auf dem Campingplatz so lange, bis die Kripo ihm auf die Schliche kam?
Diese Fragen lassen mich nun nicht mehr ruhen. Ich will Antworten finden und recherchiere in den nächsten Wochen erst einmal die Prozessberichterstattung in den Essener Tageszeitungen. Dort finde ich zwar keine weiteren Hinweise bzw. Erklärungen, dafür aber ein Bild von Joachim Mattock: kurze, nach links gescheitelte dunkle Haare, Schnurrbart, Jackett, weißes Hemd, freundlich lächelnd. Der Mann hat große Ähnlichkeit mit dem amerikanischen Filmschauspieler Kevin Spacey.
Als auch weitere Nachforschungen keinen Erfolg bringen, entschließe ich mich dazu, mit Joachim Mattock Kontakt aufzunehmen. Ich schreibe ihm einen längeren Brief und äußere dabei auch die Absicht, ihn besuchen und interviewen zu wollen. Anderthalb Wochen später erhalte ich Antwort. »Guten Tag Herr Harbort«, schreibt Joachim Mattock, »vielen Dank für Ihren Brief, habe mich sehr gefreut und schreibe auch gleich ein paar Zeilen zurück. (…) Ich habe nichts dagegen, wenn Sie mich besuchen. Lassen Sie sich bitte von der Leitung hier im Haus einen Termin geben. Freue mich auf Ihren Besuch. (…)«
Am 12. Februar 2000 ist es so weit, ich besuche den »Campingplatz-Killer« im besonders gesicherten Teil einer psychiatrischen Klinik in Niedersachsen. Joachim Mattock hat sich im Vergleich zum Foto deutlich verändert. Der 38-Jährige trägt das inzwischen nur noch spärlich vorhandene Haar millimeterkurz, die großen blauen Augen sind dunkel gerändert, sein Blick verrät eine starke Anspannung, das spitz zulaufende Kinn wird von feinen Bartstoppeln bedeckt. Die Ärmel des buntkarierten Holzfällerhemdes hat er hochgekrempelt, sie lassen kräftige, tätowierte Unterarme erkennen. Der korpulente Mann ist mit seinen knapp zwei Metern fast einen Kopf größer als ich und wirkt auf mich etwas grobschlächtig. Eigentlich ein Allerweltsbursche.
Ich weise Joachim Mattock zunächst darauf hin, dass ich das Gespräch aufzeichnen werde, und erkläre ihm, wie ich mir den weiteren Ablauf vorstelle und worauf ich größten Wert lege.
»Ich habe damals bei der Kripo und vor Gericht die Wahrheit gesagt«, erwidert er in starkem ostthüringischem Dialekt, »da können Sie sich auf mich verlassen. Die Wahrheit, ja.«
Seine unruhigen Augen zeigen, wie aufgeregt er ist, die Körperhaltung ist entsprechend: Kerzengerade sitzt er auf dem Stuhl, das Kinn nach vorne gereckt, die kräftigen Hände krampfhaft gefaltet. Das wird nicht leicht, denke ich mir. Also lasse ich ihn zunächst über sein Elternhaus berichten, damit er nicht gleich zu Beginn des Gesprächs über sich selbst reden muss. Ich will ihm ausreichend Zeit geben, sich zu akklimatisieren.
»Ich hatte zwei ältere Geschwister, eine Schwester und einen Bruder, die haben sich um mich gekümmert. Also aufgepasst, dass ich keinen Blödsinn mache.«
Diese sehr kurze Antwort verrät mir, dass wir gleich zu Beginn an einen wunden Punkt in
Weitere Kostenlose Bücher