Killerspiel
Maklers hörte Hallam kaum noch. Obwohl er energisch mit der Hand gewedelt hatte, fuhr der Vollidiot mit dem Winkelschleifer unverdrossen damit fort, rings um das Schloss in der Tür zu schneiden, die sie in Warners Keller vorgefunden hatten. Alle anderen Möglichkeiten waren erschöpft, und nachdem er den Sheriff nicht erreichen konnte, hatte Hallam selbst den Auftrag erteilt, zügig zu den unschönen, aber wirkungsvollen Lösungen zu schreiten.
Das Geräusch von der Tür hinter ihm veränderte sich plötzlich in Lautstärke und Ton, bevor es ganz aussetzte und im selben Moment etwas scheppernd zu Boden fiel.
»Wir sind drin«, sagte der Mann.
Die zweite Tür war so schwer wie die erste, und Hallam musste sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen stemmen, um sie zu bewegen. Dahinter war es stockdunkel. Kühle Luft strömte ihnen entgegen. Er griff mit der Hand um den Türrahmen und tastete die Wand ab. Kein Schalter.
»Holt mir eine Taschenlampe!«, sagte er.
Inzwischen machte er einen Schritt ins Dunkel. Es blieb kälter, als man es von einem geschlossenen Raum erwarten würde, was darauf hindeutete, dass er genauso klimatisiert war wie das übrige Gebäude. Außerdem war er beinahe vollkommen geruchlos, auch wenn Hallam nach ein paar Sekunden doch etwas bemerkte: einen leichten, stechenden Gestank. Er sog die Luft tief ein. Das Geräusch hallte aus unmittelbarer Nähe wider.
»Hier«, sagte der Kriminaltechniker, der noch da war. Hallam nahm die Taschenlampe und knipste sie an. Zuerst sah er nichts weiter als reflektiertes, weißes Licht. Als sich seine Augen daran gewöhnt hatten, stellte er fest, dass er weiße Kacheln vor sich hatte. Er drehte sich wieder zur Tür um und ließ den Lichtkegel die Wand entlangwandern, bis er an einer ungewöhnlich weit von der Tür entfernten Stelle den Schalter sah. Er machte Licht, und drei Reihen Leuchtstofflampen gingen gleichzeitig an.
»Oh«, sagte der Kriminaltechniker in erleichtertem Ton.
Ein niedriger Raum, sechs mal achtzehn Meter. Alles – von der Decke über die Wände bis zum Boden – war weiß gefliest, sauber verfugte Reihen quadratische Kacheln. Der Raum war vollkommen leer, kein einziger Gegenstand weit und breit. Der Raum strahlte etwas Unheimliches, Unmenschliches aus.
Hallam schloss sich der Auffassung des Kriminaltechnikers, die Sache sei damit erledigt und vorbei, nicht an. Das hier war bereits vor der Errichtung des Hauses aufwendig aus dem Sand und Felsgestein der Insel gehauen worden. Derart viel Mühe machte man sich nicht einfach so, und man klimatisierte einen solchen Raum auch nicht und sorgte mit Bleichmitteln für seine Sauberkeit – was die Kacheln erleichterten –, es sei denn, man hatte dafür einen triftigen Grund.
»Wir sind noch nicht fertig«, sagte er.
Sie schritten den Raum systematisch ab, hielten etwa einen Meter Abstand zueinander und richteten den Blick aufmerksam auf den Boden. Fünf Mal. Sie sahen nichts, keine Anzeichen für verdächtige Substanzen, keinen Blutspritzer, der mit dem in Verbindung stehen könnte, den sie vor ein paar Tagen in der Küche entdeckt hatten. Falls Warner hier getötet oder verwundet worden war, hatte jemand anschließend gründlich sauber gemacht.
Am hinteren Ende blieben sie stehen. Der Techniker hatte sich merklich entspannt. Hallam nicht. Sein Verstand suggerierte ihm, es liege einfach daran, dass niemand für einen großen weißen Raum so viel Aufwand betrieb. Sein Herz oder Bauchgefühl hatte mehr dazu zu sagen. Es hörte etwas. Es war ein Geräusch, an das er sich erinnerte, von einem Verwandtenbesuch mit seiner Mutter in Kanada. Die Reise gehörte zu den wenigen Gelegenheiten, bei denen er und seine Mutter eine richtig schöne Zeit miteinander verbracht hatten, und abgesehen von einer Sache hatte er sie deswegen auch in guter Erinnerung behalten. Sie verbrachten eine Woche in einer Kleinstadt namens Colindale, ein paar Stunden nördlich von Toronto. Es war so kalt, wie er es nie zuvor und nie danach erlebt hatte – durch den unablässigen Wind fast jeden Tag um die minus fünfundzwanzig Grad. Als seine Mutter eines Nachmittags den Hüttenkoller bekam und sie entschied, dass nur ein paar Stunden außer Haus ein Blutbad zwischen ihr und ihrer Schwester verhindern konnten, waren sie und ihr Sohn in der klirrenden Kälte auf der Suche nach irgendeinem lohnenden Zeitvertreib durch Colindales kurze Hauptgeschäftsstraße gezogen. Irgendwann waren sie in der Kirche gelandet, ein
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