Killerspiel
namens Barclay? Ist der immer noch hier?«
»Ja«, sagte ich. »Er ist der Sheriff.«
»Passt. Damals war er Deputy. Er hat mich verhaftet.«
»Weswegen?«
»Ich hab zu ihm gesagt – sehen Sie selbst, was hier passiert ist, Mann. Jemand hat mir ein
Wort
eintätowiert. Das interessierte keinen. War ihnen auch egal, als ich ihnen sagte, ich hätte das Wort in den Wochen davor schon ein paarmal zu sehen bekommen. Barclay beschuldigte mich, ich versuche nur, auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren. Behauptete, ich hätte mir die Tinte selbst eingeritzt. Das war so lächerlich, dass mir die Hand ausrutschte. Kurz darauf saß ich auch schon mit Handschellen auf dem Rücksitz des Streifenwagens. Das Blöde ist, ich kannte den Mann von früher, und ich wusste, dass er ein guter Cop und ein anständiger Kerl war. Er hat an dem Tag nur einfach nicht zugehört.«
»Weswegen haben die Sie denn verhaftet?«
Der Mann kehrte zur Wand zurück und setzte sich. Er nahm mein Zigarettenpäckchen und nahm eine heraus. »Was dagegen?«
Ich schüttelte den Kopf. Während er sich die Zigarette anzündete, nahm ich einen Schluck Wasser.
Er runzelte die Stirn, betrachtete die glühende Spitze. »Das hab ich lange nicht mehr gemacht«, sagte er. »Bin nicht sicher, ob ich es noch mag.«
»Weswegen?«, hakte ich beharrlich nach. »Weswegen wurden Sie verhaftet?«
Er schüttelte den Kopf. »Man hat versucht, mir einen Mord anzuhängen, den ich nicht begangen habe. Aber das ist lange her und geht Sie nichts an. Ich möchte lieber hören, was
Ihnen
passiert ist.«
Also erzählte ich es ihm. Ich sah keinen Grund, es ihm zu verschweigen. Wahrscheinlich hätte ich aufstehen und abhauen können. Ich war nicht gefesselt. Ich hätte vielleicht auch aus dem Gebäude herausgefunden. Er schien keinen Groll gegen mich zu hegen, und vielleicht hätte er nicht nach der Knarre gegriffen und mich erschossen.
Aber, nun ja, ausschließen konnte man es nicht.
Hinzu kam, dass dieser Mann hier vielleicht etwas darüber wusste, was in meinem Leben gerade vor sich ging. Er hatte bereits zugegeben, dass er die Frau in der Ecke getötet hatte, und so war er sicher kein Polizist. Ganz ausschließen konnte man es zwar nicht, aber im Grunde war es auch egal. Ich hatte nichts Unrechtes getan. Zwar musste ich mir das immer wieder ins Gedächtnis rufen, doch es entsprach der Wahrheit. Das Seltsame ist: Wenn man weiß, dass man nichts Unrechtes getan hat, aber ständig diese schlimmen Sachen passieren, ist die Lage eigentlich beschissener, als wenn man von Anfang an der Böse ist. Wenn man
weiß,
dass man Dinge tut, die falsch sind, dann hat man die Wahl, damit aufzuhören. Man weiß, wo man lügen, was man verbergen muss.
Aber wie kann man sich abgewöhnen, man selbst zu sein? Wie kann man einfach aufhören, sein normales Leben zu führen?
Ich erzählte ihm von den Karten, die ich bekommen hatte. Ich erzählte ihm, wie sich jemand in mein E-Mail-Konto eingehackt und darüber eine Online-Bestellung in meinem Namen vorgenommen hatte. Ich erzählte ihm, jemand hätte offenbar eine Sucheingabe wegen einer Flasche Wein im Internet abgefangen, sie sich besorgt, vergiftet und an mich verkauft – möglicherweise in dem Versuch, damit die Thompsons zu treffen. Ich erzählte ihm, die Polizei wollte mit mir über Ungereimtheiten in Bezug auf das Verschwinden eines Mannes sprechen – eines Mannes, den ich allerdings gestern Abend gesehen hätte, lange nachdem die Cops wegen seines angeblichen Verschwindens ermittelten.
An dieser Stelle schien er irgendwie zu reagieren, sagte aber nichts.
Ich erzählte ihm, ich sei an diesem Morgen in der Wohnung eines Mädchens aufgewacht – die, wenn er mir die Wahrheit gesagt hatte, gerade mal eine halbe Meile von da entfernt war, wo ich jetzt saß – und hätte ein in ihrem Blut an die Badezimmertür gekritzeltes Wort vorgefunden. Ich erzählte ihm, dass in dem Moment eine unbekannte Frau hereingestürmt und mit mir davongebraust sei, und dass ich vor ihr die Flucht ergriffen hätte, als sie anfing, mir eine Menge Sachen zu erzählen, die keinen Sinn ergaben.
Er hörte sich alles an, ohne mein Gesicht ein einziges Mal aus den Augen zu lassen.
Schließlich verstummte ich – nicht, weil mir nichts mehr einfiel, sondern weil mir der Kopf schwirrte und ich den Überblick darüber verloren hatte, was ich ihm bereits gesagt hatte und was nicht.
»Keine Ahnung, wer der Kerl war, den Sie gestern Abend gesehen haben«,
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