Killerspiel
mit der Pistole mir gezeigt hatte –, doch stattdessen strebte sie quer über den zentralen Platz.
»Jonny Bo’s?«
Sie antwortete nicht, sondern überquerte die Straße in Richtung des Restaurants. Allerdings betrat sie es nicht über den Café-Bereich auf dem Bürgersteig, sondern lief um die Ecke zu der Treppe, die direkt zum Restaurant hinaufführt – in dem Steph und ich vor einer halben Ewigkeit unseren Hochzeitstag gefeiert hatten. Hinter dem Empfangstisch oben stand eine junge Frau. Auf den ersten Blick schien sie meine Begleiterin nicht zu erkennen und war schon dabei, sich aufzuplustern, weil wir keine Reservierung hatten. Ms. X lief einfach an ihr vorbei.
»Hey …«
»Vergiss es, Schätzchen.«
»Moment mal, hast du nicht heute Abend Schicht?«
»Hab gekündigt. Hab ich das nicht gesagt?«
Selbst für die ersten Gäste war es noch früh, und das Restaurant war erst halb voll – einige Paare, die sich in die Speisekarte vertieften und sich Mühe gaben, angesichts der Preise kein lautes Pfeifen ertönen zu lassen. Die Frau, die für mich immer noch irgendwie Kellnerin war, Ms. X oder wie auch immer sie tatsächlich heißen mochte, wand sich zwischen den Tischen hindurch und lief zielstrebig zum Flur, an dem die Toiletten lagen. Sie schritt jedoch zügig daran vorbei auf eine nicht gekennzeichnete Tür am Ende des Korridors zu, die mir noch nie aufgefallen war. Nicht einmal
Privat
stand daran, irgendwie bezeichnend: Sag gar nichts, und die meisten von uns sind zu blöd, um irgendetwas in Frage zu stellen. Im Türrahmen befand sich seitlich ein kleines digitales Schloss, das in derselben Farbe wie die Wand gestrichen war. Die Frau tippte blitzschnell eine sechsstellige Zahl ein, und es sprang auf.
Dahinter befand sich eine schmale Treppe, die in einem scharfen Winkel nach rechts hinaufführte. Ich folgte ihr, blieb allerdings auf halbem Wege stehen, als ich sah, wie sie sich hinten in die Jeans griff und unter der Bluse eine Pistole hervorholte. Zugleich passierte etwas mit ihrer Körperhaltung, die lockerer, geschmeidiger wurde, als bereitete sie sich auf einen Überraschungsangriff vor. Ich ließ ihr beim letzten Treppenabschnitt den Vortritt und wartete ab.
Sie erreichte die oberste Stufe, wo die Wand zu Ende war und in einen halbhohen Raumteiler aus teuer aussehendem Holz überging. Sie wandte sich zur Seite, in eine Richtung, die mir versperrt war, und hielt dabei den Arm mit der Waffe so tief, dass jemand, der sich dort im Obergeschoss befand, sie nicht sehen konnte. Sie sah sich zu mir um, bedeutete mir, ihr zu folgen, und verschwand aus meinem Blickfeld.
Ich ging das letzte Stück der Treppe hinauf und fragte mich, ob ich nicht besser beraten wäre, auf dem Absatz kehrtzumachen, zu meinem Wagen zu gehen, nach Hause zurückzufahren und mir das Nötigste zu schnappen, um irgendwo anders ein neues Leben anzufangen.
Aber ich wollte kein neues Leben.
Ich wollte mein altes Leben zurück.
Damit verbot sich eine Flucht von selbst.
Oben angekommen, spähte ich vorsichtig über die Trennwand.
Ich blickte in einen geräumigen, offenen Bereich, der sich in beide Richtungen über die ganze Gebäudefläche erstreckte. Ein paar Sofas, im Stil Shabby Chic, wie zur Wahrung der Privatsphäre schräg mit der Rückseite zu mir gestellt. Ein paar Tische mit kessen kleinen Stühlen. Ein paar Oberlichter sorgten für eine helle, unbeschwerte Atmosphäre. Auf alt gemachter Dielenboden, Gemälde weit über dem sonstigen lokalen Standard. Im Hintergrund befand sich ein Besteckschrank, an einer Seite ein Aufzug.
Der berühmte Speiseraum im Obergeschoss, vermutete ich. Und am hinteren Ende drei Herrschaften, die ich kannte. Die Thompsons und Peter Grant – mein Boss.
Sie drehten sich zu mir um wie zu einem kleinen Aushilfskellner, der mit einer unerwünschten Rechnung kommt.
Peter Grant registrierte meine Anwesenheit. Noch vor einer Woche hätte ich es vielleicht cool gefunden, meinem Boss in dieser Umgebung gegenüberzutreten. Der Mensch, der so empfunden hätte, erschien mir jetzt allerdings wie eine frühere Inkarnation von mir – längst tot und der jetzigen Situation nicht gewachsen.
»Sir«, sagte ich.
Sein Blick war kühl und schwer zu deuten. Nicht direkt unfreundlich, aber auch nicht wirklich nett.
»Ich halte das immer noch für keine gute Idee«, sagte er, wenn auch nicht zu mir, und ging. Niemand sagte etwas, während seine Schritte die Holztreppe nach unten hallten.
Unterdessen
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