Killerspiel
meiner Kollegin spannen … Nur dass diese Fotos in Wahrheit nicht an diesem Abend aufgenommen worden waren, sondern einige Tage früher. Zur Vorbereitung gewissermaßen.
»Woher kennen Sie diesen Mann?«
»Ich hab ihn angeheuert. Hab ich Ihnen da gerade vom Gesicht abgelesen, dass Sie wissen, weshalb?«
»Er sollte sich als David Warner ausgeben und Ihnen damit ein Zeitfenster verschaffen, in dem ich nicht beweisen kann, wo ich war, und in dem ich diese Fotos von Karren White gemacht haben könnte.«
»Gut. Ich hätte Ihnen Bauman an den Apparat geholt, aber er nimmt offenbar nicht ab. Was … mir ein bisschen Sorge macht.«
»Wer sind Sie? Und kommen Sie mir ja nicht wieder mit diesem die Unbekannte oder Ms.-X-Scheiß – Ihr Name interessiert mich nicht. Ich meine,
was
sind Sie?«
»Ich kümmere mich um Verwaltungsangelegenheiten«, sagte sie. »Grenzwertige Arbeit. Säuberungsaufgaben, wenn nötig.«
»Sind Sie bei der Polizei?«
Sie lachte, kurz und traurig. »Ex-Army. Mit Fertigkeiten, die im zivilen Leben nicht viel bringen. Hab mich ’ne Weile rumgetrieben, in Schwierigkeiten gebracht. Dann wurde ich für das hier angeheuert.«
»Und das wäre?«
»Ich werde dafür bezahlt, eine Art Stoßdämpfer zwischen gewissen Situationen und der realen Welt abzugeben. Kümmere mich um Schadensbegrenzung und sorge dafür, dass die Kulissen stehen bleiben. Ab und zu spiele ich auch mal eine kleine Rolle, zum Beispiel eine Kellnerin in einem lahmarschigen Restaurant für Hinterwäldler, die es geschafft haben. Raffen Sie immer noch nicht, was hier läuft?«
»Ich wurde
modified
«, antwortete ich.
»Volltreffer.«
»Und dann?«
»Der Hahn wurde zugedreht.«
»Und Sie haben keine Ahnung, wieso. Oder auch, weshalb Cass ermordet wurde, und von wem, und deshalb haben Sie Angst.« Sie legte den Kopf schief. »Ich muss schon sagen. Vielleicht sind Sie ja gar nicht mal so blöd.«
»Oh doch, ziemlich. Aber da wäre noch was, das Sie nicht wissen. Der Kerl, der mir eins übergebraten hat? Er hat mir ein altes Foto gezeigt, eine Gruppe von Freunden. Eine davon ist jetzt tot. Tony und Marie Thompson waren auch drauf. Offenbar hat er großes Interesse, sich mit ihnen zu unterhalten. Ich könnte mir denken, dass er just in diesem Moment zu ihnen unterwegs ist.«
Die Frau blinzelte.
»Tut mir leid«, sagte ich mit bitterböser Schadenfreude. »Hätte ich das früher erwähnen sollen?«
39
Z ehn Minuten später rasten wir wieder Richtung St. Armands Circle hoch. Sie hatte mich aufgefordert, in Cass’ Wohnung zu warten, während sie auf den Gang hinaustrat und einen Anruf tätigte. Ich hörte, wie sie die Stimme erhob. Ich gab ihr noch eine Minute, dann folgte ich ihr nach draußen. Sie umklammerte das Geländer und blickte auf die Entropie, die sich über den Innenhof darunter ausbreitete.
»Ich brauch diesen Mist nicht«, sagte sie. »Ich könnte einfach verschwinden, jetzt sofort.«
»Und wieso tun Sie’s dann nicht?«
»Sühne«, sagte sie. »Schon mal davon gehört?«
»Nein, was ist das?«
Sie verzog das Gesicht zu einem bitteren, unattraktiven Lächeln. »Im Immobiliengeschäft wenig gefragt, nehme ich an.«
»Ich weiß, wir miesen kleinen Makler sind allesamt Arschlöcher und Versager. Aber vielleicht versuchen Sie trotzdem, sich so klar und verständlich auszudrücken, dass ich halbwegs folgen kann.«
»Ich bin damit fertig«, sagte sie. »Ich dachte, ich käme damit klar, tu ich aber nicht. Es ist unrecht. Und dafür wie auch für andere Sünden, die ich in die Waagschale legen muss, hab ich noch nicht getan, was ich längst hätte tun sollen, nämlich den Rückzug antreten, schleunigst desertieren.«
»Dann sagen Sie mir einfach nur, was zum …«
»Einen Dreck werde ich Ihnen sagen. Ich geb Ihnen einen Tritt in den Hintern, dann haben meine Auftraggeber Sie selbst an der Backe, und ich bin raus.«
Sie parkte auf dem Circle, in einer der Lücken rings um den Park. Sie verließ ihr Fahrzeug, und mir, gesetzestreuer Bürger, der ich nun einmal bin, fiel auf, dass sie nicht daran gedacht hatte, ein Parkticket zu ziehen, obwohl die gebührenfreie Zeit erst in einer halben Stunde begann. Ich machte sie darauf aufmerksam.
Sie schenkte mir das verächtlichste Lächeln, das ich bisher von ihr zu sehen bekommen hatte. »Ich genieße Immunität«, sagte sie.
Ich hatte angenommen, dass sie mit mir zum Columbia wollte – vielleicht weil ich das Restaurant auf dem Bild gesehen hatte, das der Mann
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