Killerspiel
er sich ein bisschen mehr bewegen könnte, würde er sich wohl auch ein wenig besser orientieren können, doch die Fesseln sind absolut unnachgiebig. Wenn er nicht mehr anders kann, als sich zu erleichtern – noch ist es nicht so weit, aber das kann auch an dem Betäubungsmittel liegen, das er bekommen hat –, dann wird er es genau da tun, wo er sitzt.
Der Stuhl ist sehr schwer. Er versucht, damit hin- und herzuschaukeln. Wahrscheinlich könnte es ihm irgendwie gelingen, mit ihm nach links oder rechts umzukippen, doch bei diesem Vorhaben gibt es zweierlei zu bedenken, selbst wenn er davon ausgeht, dass er beim Fallen nicht mit dem Kopf aufschlägt. Erstens würde er nur an einen Stuhl gefesselt auf der Seite liegen, was keine wirkliche Verbesserung seiner Situation darstellt.
Das zweite Problem, das er erst jetzt erkennt, besteht darin, dass er zwar einen Fußboden vor sich hat – auf dem zum Beispiel die aus zwei Worten bestehende Frage steht –, aber keinen links und rechts von sich. Dieses Oktogonal soll offenbar einmal als offene Galerie dienen, die von unten über eine protzige Wendeltreppe zu erreichen ist. Diese Treppe existiert noch nicht. Soweit er sehen kann, hat erst das halbe Achteck einen Boden. Der Stuhl steht auf einer rechteckigen Plattform, die kaum über die Stuhlbeine hinausragt.
Wenn er den Stuhl nach links, rechts oder hinten umkippt, fällt er mindestens ein Stockwerk in die Tiefe, wo er dann auf einen Betonboden kracht.
Also lässt er es lieber bleiben.
Er sitzt viele Stunden so da, steigert sich gelegentlich in minutenlanges, zunehmend heiseres Schreien hinein. Die kleinen Ausblicke auf den Himmel, die ihm die Planen gewähren, verblassen, und das leuchtende Blau der Sonne, das durch die Planen nach innen dringt, wird dunkler. Am Ende döst er von der stickigen Hitze ein wenig ein.
Irgendwann wacht er wieder auf. Das Schmerzmittel lässt allmählich nach. Es wird deutlich, dass die Wunde in seinem Oberschenkel mehr als nur Unbehagen bereithält. Vom langen Sitzen in ein und derselben Position tut ihm der Hintern weh. Und sämtliche Glieder. Er versucht, nicht daran zu denken, da er weiß, dass das Gefühl, gefesselt zu sein und sich nicht rühren zu können, die Sache nur noch schlimmer macht.
Er hebt den Kopf. Der Raum ist jetzt dunkel, auch wenn durch die Spalten genügend Mondlicht hereindringt, um in dem schwachen silbergrauen Schimmer noch immer räumliches Sehen zu ermöglichen.
Es ist noch jemand hier.
Direkt vor ihm lehnt jemand an der Wand. Er ist dunkel gekleidet, mehr kann er bei diesem Licht nicht ausmachen. Der andere sagt nichts.
Plötzlich stellt der Mann im Stuhl fest, dass er einen trockenen Mund hat. Er stellt die entscheidende Frage. »Was wollen Sie von mir?«
»Sie hatten heute Nachmittag viel Zeit. Die Lektüre, die ich Ihnen dagelassen habe, besteht nur aus zwei Worten.«
»Glauben Sie wirklich, ich nenne Ihnen Namen?«
Der andere scheint über die Frage nachzudenken. »Ja«, sagt er. »Tue ich.«
»Dann liegen Sie falsch.«
»Denke, das wird sich zeigen. Ich denke auch, dass Sie schon lange Hunger haben müssen. Außerdem haben Sie seit achtzehn Stunden keine Flüssigkeit zu sich genommen. Haben Sie Durst?«
Dem Mann auf dem Stuhl wird plötzlich bewusst, wie ausgetrocknet er sich fühlt. Nicht nur im Mund – das kann er lindern, indem er sich mit der Zunge über Gaumen und Lippen fährt –, sondern auch in der Kehle und im Kopf, der sich ausgedörrt und angespannt anfühlt.
»Nein«, sagt er trotzdem.
»Von mir aus reden Sie sich das weiter ein. Sollte es allerdings langweilig werden, haben Sie ja noch was, worüber Sie nachdenken können.«
Der Mann löst sich von der Wand und kommt auf den Stuhl zu. Der sitzende Mann erkennt, dass Hunter etwas in beiden Händen hält.
Hunter hebt langsam die linke Hand, und es wird deutlich, dass seine Finger – die erschreckend kräftig zu sein scheinen – den Betonstein festhalten, der den ganzen Nachmittag lang an der Wand gelegen hat. Er hebt diesen Stein auf Brusthöhe, bewegt die Hand, bis sie über dem rechten Bein des anderen Mannes schwebt, und lässt den Stein fallen.
Der Mann auf dem Stuhl brüllt auf.
Der Schmerz ist so entsetzlich, dass er sich auf seinem Stuhl aufbäumt. Der andere packt ohne Hast die Lehnen, damit er nicht umkippt.
»Vorsicht«, sagt er.
Der sitzende Mann kann kaum hören. Er beißt sich auf die Zunge und kneift die Augen zusammen. Er merkt, wie ihm der Stein
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