Killerspiel
vom Schoß genommen und wieder in den Raum geworfen wird. Etwas anderes landet auf seinem Bein, doch es hat ein Federgewicht, und es ist ihm egal, wie auch alles andere. Die Wunde fühlt sich an, als würde ihm jemand entlang des Knochens einen rostigen Nagel ins Bein hämmern, immer und immer wieder.
Er braucht zehn Minuten, bevor er sich unter Kontrolle hat und die Augen öffnet. Hunter ist nicht mehr im Raum. Auf welchem Wege er verschwunden ist, kann der Mann auf dem Stuhl nicht sagen. Er hat auch keine Ahnung, wie er jetzt den Gedanken an Durst – und zunehmend den Durst selbst – daran hindern kann, sein ganzes Denken zu beherrschen. Er weiß, dass er sich sein Bein ansehen sollte, glaubt jedoch, dass er sich dadurch nur noch schlimmer fühlen würde.
Er tut es trotzdem – und was er sieht, vertreibt für einen Moment alle Gedanken an Durst. Das, was Hunter ihm auf den Schoß geworfen hat, ist ein Damenmorgenmantel.
Der Mann auf dem Stuhl erkennt ihn. Er gehört einer Frau namens Lynn Napier, der Frau, bei der er gestern den Abend verbracht hat.
Vom Stockwerk unter ihm ertönt die Frage: »Wer noch?«
Schritte verhallen, dann herrscht Stille.
8
I st das von dir?«
»Was?«
»Das hier.« Ich drehte mich von der Arbeitsplatte zum Küchentisch um, wo Steph sich ein kurzes Frühstück genehmigte, während sie sich auf dem kleinen Flachbildschirm in der Ecke die nichtigen Nachrichten auf einem Lokalsender ansah. Sie legte den Kopf schief, so dass ihr das noch nasse Haar ins Gesicht fiel. Nach einem Blick auf den Schutzumschlag des Buchs, das ich in der Hand hielt, schnaubte sie verächtlich.
»Das wäre ein dickes, fettes Nein«, sagte sie lachend, »mit einem Hauch von ›Träum weiter, mein Freund‹.«
Ich drehte mich wieder zu dem Buch um, das, in Wellpappe verpackt, an unserer Haustür gelehnt hatte, als ich vom Fitnesscenter zurückkam. Es war groß und schwer und kostete im Einzelhandel offenbar achtzig Dollar. Es war bei einem europäischen Verlag erschienen, der Bildbände herausbrachte, und einer Retrospektive der Werke eines Fotografen gewidmet, dessen Namen ich zum ersten Mal hörte.
Beim flüchtigen Durchblättern bestätigte sich, was das Cover suggerierte, dass besagter Knipser darin der zeitlosen Schönheit des weiblichen Körpers in unterschiedlichen Stadien der Entblößung huldigte. Eine makellose Flugbegleiterin, weit über einen Servierwagen gebeugt, mit hochgerutschtem Rock, so dass zerrissene, billige Unterwäsche enthüllt wird. Eine Sekretärin, die pflichtbewusst auf einer alten Underwood tippt und nicht merkt, wie dicht ihr Anzug tragender Chef hinter ihr steht, der nur von der Taille an nach unten, mit offensichtlich vorgewölbtem Schritt zu sehen ist. Eine Ärztin, die mitten in der Nacht in einem Krankensaal mit schlafenden Patienten steht und nichts weiter trägt als Strapse, Strümpfe und ein Stethoskop, während sie betrübt auf ein Klemmbrett in der Hand sieht.
»Wirklich?«
»Wirklich«,
bekräftigte sie.
»Das ist nicht jemand, der hier eine Ausstellung hat oder so?«
»Hier geht es wohl eher um
Stellungen,
Liebling«, sagte Steph, während sie ihr hochwertiges Granola kaute. »Und nein, auch wenn Sarasota es weit gebracht hat, es ist nicht New York. Nicht mal Tallahassee. Der Porno-Kunst-Markt fällt immer noch aus dem Rahmen dessen, was die Leute hier in einer öffentlichen Galerie dulden würden.«
Ich blickte verständnislos auf den Lieferschein von Amazon. »Also, das ist schon seltsam.«
»
Steht
da, dass es ein Geschenk ist?«
»Nein. Es wurde über mein Konto gekauft.«
»Ehrlich«, sagte Steph, »ist schon in Ordnung.«
»Wie meinst du das?«
»Falls du das bestellt hast, hätte ich nichts dagegen.«
Ich starrte sie an. »Wieso sollte ich das Päckchen vor deinen Augen öffnen, wenn ich etwas zu verbergen hätte?«
Sie zuckte die Achseln. »Du surfst auf der Website herum, siehst das Buch, klickst versehentlich auf
jetzt kaufen
statt auf
in den Warenkorb legen.
Vergisst es, und, tada, schon ist es hier. Vor den Augen der Frau. Ups. Keine große Sache.«
Ich betonte jedes Wort. »Ich habe dieses Buch nicht bestellt.«
»Dann schick’s zurück«, sagte sie und schnappte sich ihre Wagenschlüssel. »Ich muss los, Schatz. Großer Vorbereitungstag für die Maxwinn-Saunders-Besprechung morgen.«
»Steph, hör mal, ich hab das nicht gekauft.«
»Ich glaube dir«, sagte sie augenzwinkernd und war zur Tür hinaus.
Als ich im Büro eintraf,
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