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Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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geschickt, und die zweite offenbar, nachdem das Meeting zu Ende war. Keine Antwort. Sie ging auch nicht ans Handy – jedenfalls nicht, wenn ich anrief. Die Sache gefiel mir gar nicht.
    Steph und ich lieben uns. Sehr. Sie ist, wenn ich ehrlich bin, der einzige Mensch, dessen Gesellschaft ich meiner eigenen vorziehe. Darüber hinaus bilden wir ein Team, ziehen am selben Strang. Sie hat ursprünglich sogar die Arbeit bei der Zeitschrift angenommen, weil sie wusste, dass uns das Zugang zu einer hiesigen Oberschicht verschaffen würde, in die sonst nur schwer hineinzukommen ist – zu der Welt der Kunst und Galerien und der Betuchten, die sie fördern. Wenn einer von uns mal allzu unausstehlich wird, geben wir uns zwar gelegentlich einen Schuss vor den Bug, aber dass einer einen halben Tag lang die Versuche des anderen ignoriert, mit ihm in Kontakt zu kommen, so etwas Ungehobeltes hatte es noch nie gegeben. Ich fühlte mich, als hätte man mir den halben Verstand abgehackt. Zwar hatte ich noch nicht zu Ende gedacht, wie ich Warners Rolle bei den Fotos ins Spiel bringen sollte, doch ein untrüglicher Instinkt sagte mir, dass es höchste Zeit war, mich mit Steph an einen Tisch zu setzen.
    Ich versuchte es noch einmal auf ihrem Handy. Diesmal hinterließ ich eine Nachricht, in der ich ihr in fröhlichem Ton mitteilte, ich sei einer Sache auf den Grund gekommen und würde gerne so bald wie möglich mit ihr reden. Ich hätte Jake fragen sollen, ob auch Sukey, Stephs Hauptverbündete bei der Zeitschrift, schon gegangen sei. Falls ja, hätte ich mir einreden können, dass sie das Ereignis mit Pinot begossen, nachdem das – worum es bei diesem verdammten Treffen auch immer gegangen sein mochte – glücklich unter Dach und Fach war.
    Ich brachte es jedoch nicht über mich, noch einmal mit ihm zu sprechen, nicht zuletzt, weil ich wusste, wie seltsam es aussehen würde, dass ich meine eigene Frau nicht ausfindig machen konnte. Stattdessen rief ich zu Hause an. Es klingelte ein paarmal, und ich wollte schon auflegen, als ich hörte, wie abgenommen wurde.
    »Ah, Liebling, da bist du ja«, sagte ich und bemühte mich, gutgelaunt statt einfach nur schrecklich erleichtert zu klingen. »Du bist heute aber wirklich schwer zu erreichen. Hast du meine SMS nicht bekommen?«
    Sie schwieg.
    »Na schön«, sagte ich. »Ich weiß, ich weiß. Gestern Abend war ziemlich bizarr, aber ich schwör dir, ich hab die Wahrheit gesagt. Und heute ist noch mehr passiert. Ich glaube, ich weiß jetzt, was da los ist.«
    Sie sagte immer noch nichts, auch wenn ich sie atmen hörte.
    »Komm schon, Steph«, sagte ich und versuchte nur noch, nicht allzu flehentlich zu klingen. »Lass uns in Ruhe darüber reden, ja? Ich komm nach Hause. Oder wir können uns irgendwo treffen, auf einen Kaffee oder ein Bier. Wie ich höre, ist dein Treffen gut gelaufen. Gehn wir feiern.«
    Schweigen. Ich kämpfte gegen den Drang an, die Stille mit noch mehr Worten zu füllen, weil ich wusste, dass jetzt sie am Zug war und ich wissen musste, ob sie bereit war, auf mich einzugehen, wieder mit mir zu kommunizieren, nachdem zwischen uns eine Funkstille eingetreten war, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Doch kaum eine halbe Minute später hielt ich es nicht mehr aus. »Steph? Komm schon, Liebling. Rede mit mir.«
    Das Schweigen herrschte noch ein paar Sekunden, und dann sagte eine weibliche Stimme klar und deutlich ein einziges Wort.
    »Modified.«
    Es war nicht die Stimme meiner Frau. Es folgte ein leises Lachen, dann hörte ich, wie aufgelegt wurde.

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    Teil II
    Präsens
     
     
     
    Es gibt Helden im Bösen wie im Guten.
     
    François de La Rochefoucauld
    Maximen und Reflexionen

16
    E s sind die Nachmittage, die sich endlos in die Länge ziehen.
    Am Morgen wacht man auf und zack – da ist man, die Welt hat einen wieder, und Hazel hat sich daran gewöhnt, in einem Bett aufzuwachen, in dem niemand außer ihr liegt. Sie öffnet die Augen und starrt an die Decke, während sie darauf wartet, dass die Realität vertraute Konturen annimmt. Es ist keine selbstgewählte Realität, aber das ist es ja selten, entgegen den Verheißungen der Selbstvervollkommnungsindustrie. Sie hat ihren Anteil an ernstzunehmenden Büchern über Trauer und Schuldgefühle gelesen. Trotz der einschüchternden Beschwörungsformeln der retuschierten Roboter, welche die Einbände zieren, hat ihr keins davon geholfen. Sie sind sich alle gleich: Scharlatane in einer

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