Killerspiel
jetzt anonym und tot ist. Nach einer Weile sieht er nicht mehr, wie es ist, sondern wie es einmal war, er hört das Lachen einer Frau, mit der er oft hierherkam, und spürt im Geist ihre Hand.
Er merkt nicht, wie ihm die Tränen das Gesicht herunterlaufen, und bis er wieder in der Gegenwart ankommt, sind sie in der Hitze getrocknet.
Als er den Key zurückfährt, sieht er etwas am Straßenrand, das ihn interessiert. Er biegt ab und hält auf dem Parkplatz vor dem italienischen Restaurant.
Eine halbe Stunde lang sieht er zu. Er sieht, wie zusammen mit dem nicht gekennzeichneten weißen Transporter zwei Streifenwagen eintreffen. Er sieht, wie ein drittes Fahrzeug abfährt und dann zurückkehrt.
Es ist unwahrscheinlich, dass ein solches Ausmaß an Geschäftigkeit mit einer vermissten Person in Verbindung stehen kann.
Als er wegfährt, weiß er, dass sein Leben immer komplizierter wird. Dass er stark und schnell sein muss und dass ihm schon jetzt die Zeit davonläuft.
17
I ch war in fünfundzwanzig Minuten zu Hause. Mitten am Nachmittag geht es nicht schneller, egal, wie schnell man gerne fahren möchte. Ich parkte auf der Straße vor dem Haus, oder genauer gesagt, stellte den Motor ab, sprang heraus und rannte den Weg hinauf.
Die Eingangstür war abgeschlossen. Auch im Inneren des Hauses war alles genau so, wie ich es hinterlassen hatte. Ich rannte herum und rief Stephanies Namen. Zuerst sah ich im Erdgeschoss nach, dann in sämtlichen Zimmern oben. Niemand da, nicht die geringste Veränderung, seit ich das Haus verlassen hatte. Mit pochendem Herzen kam ich wieder nach unten. Als ich das Wohnzimmer erreichte, drehte ich mich im Kreis, bevor ich wieder loslief. Wir hatten natürlich einen Netzanschluss mit schnurlosem Telefon, doch da wir beide Handys besitzen, steht es gewöhnlich auf der Arbeitsplatte in der Küche. Ich sah, dass es sich auch jetzt dort befand – es lag neben dem Sockel. Ich konnte mich nicht erinnern, ob es dort gewesen war, als ich zur Arbeit ging. Es war schließlich egal. Wer auch immer im Haus gewesen war, hatte offenbar
genau dort
gestanden.
Plötzlich kam mir ein Gedanke, und ich drehte mich um, doch auf der Terrasse und am Swimmingpool war niemand.
Ich widerstand dem Impuls, den Hörer in die Hand zu nehmen. Waren vielleicht Fingerabdrücke daran? Immerhin möglich. Würde ich irgendwo im Haus eine kleine schwarze Karte mit dem Wort MODIFIED finden? Ebenfalls möglich.
Beides würde vom entscheidenden Punkt ablenken, dass jemand ins Haus eingedrungen war, um in meinem Leben herumzupfuschen. Und es war nicht David Warner.
Wer dann?
Um fünf Uhr stand ich immer noch, oder besser gesagt, wieder an der Theke. Inzwischen hatte ich das Haus gründlicher durchsucht und nichts gefunden. Keine kleinen schwarzen Karten, keine fehlenden Koffer oder Kleider. Ich hatte auch nicht ernsthaft geglaubt, dass Steph einfach ihre Sachen packen und davonrauschen würde – wie im ersten Akt einer romantischen Komödie: Es stehen Irrungen und Wirrungen bevor, doch man darf sich getrost darauf verlassen, dass es vor dem Abspann zur Versöhnung oder Wiedergutmachung kommt. Es gibt offenbar auch Leute im realen Leben, die so etwas tun, und ich war sehr froh, dass bei mir zu Hause nichts darauf hinzudeuten schien.
Natürlich hatte ich daran gedacht, die Cops zu rufen. Seit ich die Stimme der Frau an meinem Telefon vernommen hatte, war mir der Gedanke alle dreißig Sekunden gekommen. Ich hatte es am Ende nicht getan, weil ich mir nur allzu gut vorstellen konnte, wie die Reaktion ausfallen würde.
Ihre Frau ist erwachsen, Sir. Es ist noch nicht einmal Büroschluss. Und – Sie beide hatten gestern Abend Streit.
Und, ähm, was wollen Sie mir damit sagen?
Außerdem hatte ich das Gefühl, dass ich, wenn ich zum dritten Mal an ein und demselben Tag mit den Cops redete, mit etwas mehr Fakten würde aufwarten müssen. Eine nicht auffindbare Frau war nicht genug. Auch eine angebliche Stimme an meinem heimischen Telefon reichte da nicht aus. Ich konnte mich verwählt oder verhört – oder die ganze Sache aus höchst persönlichen Gründen erfunden haben – womit ich mich nur umso verdächtiger machte.
Hatte ich denn irgendwelche anderen Beweise? Es gab die Karten, die ich bekommen hatte. Hatte ich eine davon aufgehoben? Natürlich nicht. Ich hatte jede sofort weggeworfen und die allerersten Anzeichen des Chaos verleugnet, bis es zu spät war.
Natürlich
wusste
das der große Unbekannte, der
Weitere Kostenlose Bücher