Killerspiel
der Sauerei entfernt, die er in einem verlassenen Haus versteckt hatte, aufgewacht war. Er hatte gehofft, Katy würde ihm helfen, doch sie war zu sehr von der Rolle und betrunken und schluchzte nur die ganze Zeit. Er erinnerte sich, wie ihm übel wurde, erinnerte sich an das Gefühl maßlosen Entsetzens über das, was er getan hatte.
Erinnerte sich auch an die Erektion.
Er hörte Katy hinter sich weinen, hier auf Lido. Er hatte sie auch an diesem Strand in Mexiko gehört, an dem Morgen, nachdem sein Leben eine andere Wendung nahm.
Arme tote Katy, die ein wenig wie Lynn ausgesehen hatte. Katy, die er seit seinem fünften Lebensjahr gekannt hatte. Katy, die – hätten die Dinge einen anderen Verlauf genommen – in einem gänzlich anderen Leben jetzt an seiner Seite sein könnte.
»Ich hab dich geliebt«, sagte die Stimme hinter ihm.
»Das weiß ich inzwischen auch.«
Warner wusste, wem er die Schuld an seinem Leben geben musste. Aber wen beschuldigt man, wenn man selbst der Böse ist? An wem lässt man es aus? Man kann sich ja nicht selbst bestrafen – zumindest nicht mehr als dadurch, dass man sein Leben in einen endlosen düsteren Karneval verwandelt. Also lässt man es an anderen aus. Nicht einmal immer mit Absicht. Manchmal schlägt man einfach blind um sich. Die Dinge geraten außer Kontrolle. Man sieht zu, wie sich seine Hände plötzlich verselbständigen. Verbale Warnungen münden in Gewalt, Schläge in einer blutigen Metzelei.
Und du bekommst einen Steifen.
Allmählich verstummte das Weinen. Nicht, dass sie aufgehört hätte – Katy würde jetzt nie mehr zu weinen aufhören –, aber es verhallte, als hätte sie jemand langsam weggezogen.
Eine halbe Stunde später tippte ihm jemand auf die Schulter. Zuerst dachte er, es sei Katy, die zurückgekommen war, doch dann merkte er, dass die Berührung weh getan hatte. Physisch, in der realen Welt.
Er hob den Kopf und sah, dass jemand über ihm stand, eine Silhouette, die das Sonnenlicht in das duftige Weiß des Himmels gezeichnet hatte.
»Ich komme, um Ihnen zu helfen«, sagte eine Stimme.
28
V ierzig Minuten später waren wir zurück auf dem Festland. Als ich meine Umgebung wieder richtig wahrnahm, sah ich, dass wir auf dem Tamiami Trail fuhren, einem Wegstück eintöniger städtischer Zersiedelung, zwanzig Minuten vom Zentrum entfernt. Läden für Bürobedarf, nichtssagende Restaurants, Copyshops, Werkstätten, in denen man seinen Auspuff reparieren ließ, und die einstöckige DeSoto Square Mall.
Die Frau fuhr lässig geübt, als sei das hier ein Videospiel, mit dem sie täglich Stunden zubrachte. Sie schien nach jemandem Ausschau zu halten.
»Wo bringen Sie mich hin?«
»Hierher.«
Sie schwenkte vom Highway ab auf den Parkplatz eines Burger King – sie fuhr geradewegs auf eine Lücke am anderen Ende zu und drosselte das Tempo erst im letzten Moment. Sie schaltete den Motor aus und rieb sich das Gesicht. Sie rubbelte fest, als hätte ihr Gesicht ihr etwas angetan. Ich starrte durch die Windschutzscheibe auf eine Ziegelwand.
Als sie mit Reiben fertig war, riss sie das Handschuhfach auf und zog eine Packung Zigaretten heraus. Sie nahm sich eine und warf mir die Packung auf den Schoß.
»Ich rauche nicht.«
»Sie haben nicht geraucht. Wenn Sie nicht wieder angefangen haben, sind Sie stärker, als ich Ihnen zugetraut hätte.«
Ich sah sie verblüfft an.
»Sie haben es nicht bemerkt?« Sie zündete sich die Zigarette an und blies den ersten Lungenzug aus. »Oh, verdammt, Sie sind vielleicht schwer von Begriff. Nicht mal den Tisch voller Frauen bei Krank’s gestern Abend? Ich hab vergessen, denen abzusagen. Natürlich waren Sie da noch mit Ihrer Frau fest eingeplant. Der große Versöhnungsdrink, der dann gründlich danebengehen sollte. Und jetzt kommen Sie trotzdem ganz allein daher. Schon seltsam, hm?«
»Wer sind Sie, zum Teufel?«
»Für Sie bin ich Ms. X oder die Unbekannte.«
»Was ist hier eigentlich los? Was wird hier
gespielt?
«
»Genau das wüsste ich auch gern. Es war alles geplant. Klare Grenzen gezogen, Dämme errichtet, damit nichts ausufern kann. Die Dämme haben nicht gehalten, und die ganze Sache ist
völlig
aus dem Ruder gelaufen.«
In meinem Kopf wollte ein Wort Gestalt annehmen, aber um es erfassen zu können, musste ich erst einmal an dem Doppelbild von Cassandras Gesicht vorbei.
Ich war noch nicht imstande gewesen, mich damit zu konfrontieren, was ich in ihrer Wohnung gesehen hatte. Ein Teil von mir
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