Killerspiel
hätte jemand nach etwas gesucht und wäre fuchsteufelswild geworden, als er es nicht fand. Zerrissene Kleider, umgekippte Möbel, überall zerbrochene Sachen.«
»Tja, dann«, sagte ich und lief rückwärts weiter, »wollen wir mal hoffen, dass es am Ende nichts Ernstes ist.«
Das war schwach. Doch es war mir egal. Ich lief zu meinem Wagen. Ich war hier fertig. Ich wollte weg, nur dass ich nicht wusste, wohin. Wahrscheinlich wieder ins Krankenhaus.
Als ich den Wagen entriegelte, hörte ich Schritte. Ich hob den Kopf und sah, wie jemand mit schnellen Schritten auf mich zukam. Er sah irgendwie vertraut aus, und mir fiel ein, dass es der Mann war, den ich am Vortag gesehen hatte, der potenzielle Immobilieninteressent, der herumgelaufen war und zu den Wohnungen hochgesehen hatte.
»Hey«, sagte er.
Dann passierte etwas, das schnell ging und weh tat, und dann sah ich nur noch rotschwarz.
36
I ch hatte die Augen offen, fand mich in einer grauweißen Umgebung wieder, in der die Teilchen wie ein heller Vogelschwarm langsam in der Luft rotierten. Dieses Gebilde versuchte, sich auf etwas Konkretes einzupendeln, wusste aber offenbar noch nicht, was. Ich blinzelte und stürzte mit einem Schwindelgefühl, von dem mir übel wurde, in eine bodenlose Tiefe in mir.
Ich roch Staub. Beton.
Ich rollte mich auf die Seite. Ich lag auf etwas Hartem. Und Körnigem. Und Grauem. Etwas von dem Grau war näher an meinem Gesicht, erstreckte sich als glatte Fläche unter meiner Wange. Andere Teile waren weiter weg, Betonsteine zum Beispiel. Am hinteren Ende befand sich ein Fleck aus verschiedenen Farben. Ein lebhaftes, verschwommenes Orange und ein fahles Beige. Das war etwas, worauf ich mich konzentrieren konnte. Ich blinzelte noch einmal, diesmal bewusst, und richtete den Blick gezielt auf das Patchwork aus Farben, die zuerst waberten und sich dann plötzlich zu etwas verfestigten, das ich erkennen konnte.
Hazel Wilkins.
Ich setzte mich ruckartig auf, und mein Kopf wirbelte erneut von mir weg, so dass sich mir der Magen hob.
»Sachte«, sagte eine Stimme. »Langsam angehen lassen.«
Hazel saß an einer Schlackensteinwand etwa drei Meter entfernt. Sie war in eine orangefarbene Decke gehüllt. Allerdings saß sie nicht richtig, vielmehr hatte sie jemand an die Wand gestützt. Ihr Kopf war zur Seite gekippt.
Außerdem sah sie grau aus. Und klein. Und tot. Ich hatte noch nie zuvor einen Toten gesehen, doch Hazel sah wirklich tot aus.
Benommen wendete ich den Kopf zu der Stimme um. Ein Mann saß dort mit dem Rücken an der anderen Wand. Es war der Mann, den ich auf dem Parkplatz von The Breakers gesehen hatte, derjenige, der »Hey« gesagt hatte. Dunkles Haar, graumeliert. Sein Blick war ruhig, aber aufmerksam.
»Sie heißen also William Moore, ja?«
Vor ihm auf dem Boden aufgereiht lagen mein Handy, meine Brieftasche – wobei der Inhalt herausgenommen und ebenfalls ordentlich ausgebreitet dalag –, meine Autoschlüssel und das Päckchen Zigaretten. Diese Gegenstände nahmen vier Fünftel eines exakten Halbkreises ein. Den Abschluss bildete eine Pistole.
Ich versuchte, etwas zu sagen, bekam aber nur ein feuchtes, klickendes Geräusch zustande, wie von einem Fuß, den man aus dem Schlamm zieht.
Der Mann griff neben sich zu einer kleinen Plastikflasche mit Wasser und warf sie mir zu. Es gelang mir nicht einmal annäherungsweise, sie aufzufangen. Ich hatte die Hand noch nicht einmal vom Boden angehoben, als die Flasche auch schon an mir vorbeischnellte. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass ein, zwei Meter hinter mir auf einem Fleck, der an getrocknetes Blut erinnerte, die Überreste eines zerbrochenen Stuhls lagen, daneben ein paar Stücke Drillichband. Die Flasche war in diesem ganzen Haufen gelandet. Ich beschloss, ohne sie auszukommen.
Ich sah nach oben. Über mir befand sich ein halber Fußboden, ein paar große, mit Planen bedeckte Fenster. »Wo sind wir hier?«
»Lido.«
»Wie bin ich hergekommen?«
»Ich hab Sie in Ihren Wagen verfrachtet und bin mit Ihnen hier rausgefahren. War selbst erstaunt, dass ich damit durchgekommen bin, aber ich schätze mal, dass es mir zustand, diese Woche auch mal ein bisschen Glück zu haben.«
Ich konnte nicht anders, als Hazel anzusehen. »Haben Sie sie umgebracht?«
Er schwieg. Ich vermutete, wenn er es nicht gewesen wäre, hätte er sich beeilt, es zu sagen, und so lautete die Antwort wohl ja. Ich war noch nie mit jemandem in einem Raum gewesen, der jemanden umgebracht hatte. Ich
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