Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)
verwickelt ist, das riecht alles förmlich nach falschen Namen, nach losen Fäden, nach Spuren, die plötzlich im Niemandsland enden.« Er schüttelte den Kopf. »Da kommt sicher nichts heraus«, befürchtete er. »Aber wir sollten alles versuchen, damit wir uns später keine Vorwürfe machen müssen.«
Warum sprach er eigentlich soviel. War das eine unbewusste Reaktion auf die Tatsache, dass er erstmals in seinem Leben so unmittelbar mit einer Frau zusammenarbeitete? Er würde Marianne dazu befragen. Oder besser vielleicht doch nicht.
»Jetzt fahren wir aber nach Beuren in dieses Schlosshotel. Sagen Sie Burgmeister und Wageller Bescheid, dass sie mitkommen sollen«, forderte er die Martens auf. »Mit dem Versuch, einen Durchsuchungsbefehl zu bekommen, brauchen wir uns bei der derzeitigen Beweis- beziehungsweise Verdachtslage erst gar nicht aufzuhalten. Vielleicht haben wir ja Glück und wir können Gefahr in Verzug glaubhaft machen.«
Jetzt musste er nur noch seine vorgesetzte Stelle in Konstanz über den Einsatz informieren. »Wir sehen uns in fünf Minuten am Wagen«, wies er Helga an, ehe er den Hörer abnahm.
* * *
Als Palinski kurz nach 10 Uhr ins Büro kam, hatte ihm Margit bereits eine Liste mit den Namen und Adressen der Personen, die nach ihrem Wissensstand eine Kopie des Manuskripts erhalten hatten, auf den Schreibtisch gelegt.
An erster Stelle stand da Carola Harbach, seine Lektorin im ›Georg Maynar Verlag‹ in der Nähe von Sigmaringen.
Es folgten Susanne Bitterlich, eine Freundin Wilmas, die Germanistik an der Universität in Santiago de Chile lehrte, und Hubert Bachinger, ein sehr belesener, an Literatur äußerst interessierter ehemaliger Chemiker, jetzt Pensionist. Beide hatten Spaß daran, an Palinskis Fantasien teilzuhaben. Und der legte großen Wert auf ihr Urteil.
Dann war da noch Mia Baburek, eine 28-jährige Deutschlehrerin, die Palinskis mangelhafte Kenntnisse der letzten Rechtschreibreform ausgleichen und gleichzeitig die Meinung der jüngeren Generation repräsentieren sollte. Und last, but not least natürlich auch noch seine Wilma. Die hasste Krimis zwar, fühlte sich aber irgendwie verpflichtet, in seinem Fall eine Ausnahme zu machen.
Das war es dann auch schon. Oder?
Nein, das war es noch nicht, fiel ihm jetzt gerade ein. Eine Kopie des Manuskripts von ›Spiele im Schatten‹ hatte er auch Juri zum Lesen gegeben.
Juri Malatschew, Palinski wusste gar nicht, ob der Nachname so ganz richtig war, aber er klang so. Also, dieser Juri war ein alter Journalist mit schillernder Vergangenheit, den er im ›Café Kaiser‹ beim Schachspielen kennengelernt hatte. Der gebürtige Russe war das lebende Beispiel dafür, dass nicht alle Angehörigen dieses Volkes geborene Meister des Spiels aller Spiele waren. Er spielte noch schlechter als Palinski, und das hatte selbst dieser bis dahin nicht für möglich gehalten.
Malatschew war aber ein begnadeter Erzähler. Mit einem unvergleichlichen Mix aus möglicherweise Erfundenem und unmöglich Erlebtem, aus skurriler Wahrheit und wahrhaftig klingenden Märchen verstand er es, die Zuhörer zu faszinieren und in seinen Bann zu ziehen. Das Verrückteste an einem Gespräch mit Juri war aber, dass man nie wusste, was wahr und was erfunden war. Und ob nicht gerade das Unglaubliche in dieser unglaublichen Welt schließlich die meiste Glaubwürdigkeit besaß.
Juri war ein Hexenmeister des gesprochenen Worts und ein Quell unendlicher Inspiration für alle, die ihm zuhörten. So eine Art ›Baron Münchhausen‹ unserer Zeit. Kein Wunder also, dass Palinski dem fast 20 Jahre älteren Russen bereits nach ihrem ersten Gespräch verfallen war. Und dass er Juri auf dessen lediglich zwischen den Zeilen angedeuteten Wunsch, ›Spiele im Schatten‹ kennenzulernen, sofort ein Exemplar des Manuskripts überließ.
Also: Wer von diesen sechs Auserwählten konnte, bewusst oder unbewusst, das Manuskript oder Teile davon an jemanden weitergegeben haben, der daraufhin aus der Fiktion Realität werden ließ? Für vier der sechs Personen hätte Palinski seine Hand ins Feuer gelegt.
Mia Baburek, sie unterrichtete an derselben Schule wie Wilma, kannte er nicht sehr gut. Aber sowohl aus logischen Gründen als auch gefühlsmäßig kam die junge Pädagogin für ihn kaum in Frage. Wobei sich natürlich die Frage stellte, wofür sie und auch die anderen vier Personen seines Vertrauens nicht in Frage kamen.
Ausschließen konnte er doch nur die vorsätzliche
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