Killervirus - Gerber, R: Killervirus - Heartstopper
Blutbahn geschwemmt, und ein neuer, alles andere auslöschender Schmerz schoss ihm quer durch die Brust. Am oberen Rand seines Herzens fingen die Wände seiner Aorta an, sich voneinander zu lösen. Sein linkes Atrium kollabierte. Seine Zunge fiel zurück in seinen Gaumen und verschloss ihm die Luftröhre.
»Geht es dir nicht gut, alter Mann?«, hörte er auf einmal eine Stimme über sich fragen.
»Helfen … Sie … mir«, presste Ben keuchend hervor.
»Du hättest nicht herkommen dürfen, alter Mann«, zischte die Stimme. Ben drehte den Kopf und sah im schwachen Lichtschein der entfernten Straßenlaternen eine gelbe, vor Nässe glänzende Regenjacke, mit einer großen Kapuze. Ben versuchte, das Gesicht unter der Kapuze zu erkennen, aber es lag zu sehr im Schatten.
»Was wolltest du von Larrick?«, fragte die Stimme kalt und ungerührt. Ben war nicht in der Lage zu antworten. Er hechelte nach Luft, aber seine Lunge wollte sich nicht mit Sauerstoff füllen. Der Mann hob ein Bein und stellte ihm einen Fuß auf die Brust. Teure Schuhe, dachte Ben zusammenhanglos.
Tränen traten ihm in die Augen. Er wollte schreien, aber er konnte nicht.
»Ich brauche … Hilfe«, krächzte er mit letzter Kraft.
»Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott«, sagte der Mann. Er stieß die Worte hervor, als wollte er Ben damit anspucken. »Aber du kannst dir nicht mehr helfen, alter Mann, und Gott wird sich deiner erst erbarmen, wenn sein Strafgericht über dich gekommen ist.«
Der Fuß löste sich von seiner Brust und fing an, Druck auf seine rechte Seite auszuüben. Ohne etwas dagegen tun zu können, spürte Ben, wie sein Körper langsam an die Betonkante der Uferböschung geschoben wurde. Er wollte die Arme abspreizen, um sich zu stabilisieren, aber er schaffte es nicht. Er spürte, wie er ins Rollen kam, erst langsam, dann immer schneller. Seine Hüftknochen, Knie und Ellenbogen schlugen schmerzhaft gegen den harten Beton, dann stürzte er ins eiskalte Wasser und wurde von den ekelhaft stinkenden Fluten fortgerissen.
Wie traurig, dachte Ben, den urplötzlich eine tiefe, seltsame Ruhe überkam, da werde ich jetzt in diesem schmutzigen, verseuchten Fluss zugrunde gehen, ohne Jack noch einmal gesehen zu haben. Die Luft in seinen Lungen trieb ihn nach oben, über die Wasserfläche, und als er die Augen öffnete, sah er die Lichter der Autos auf der Brücke an der 14 th Street, auf die er rasend schnell zu trieb.
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0:37 UHR
GEORGETOWN, WASHINGTON, DC
Bis auf die Knochen durchnässt rannte Jack durch die Grünanlage am Ufer des Potomac, die in einer Nacht wie dieser völlig menschenleer war. Er hatte den Mann in der gelben Regenjacke bis an den Freeway verfolgt, wo dieser über die Leitplanke geklettert und, ohne auf die wütend hupenden und schlitternd bremsenden Autos zu achten, einfach schnurstracks über die vier Fahrspuren gerannt war.
Jack selbst hatte weder den Mut noch das Gottvertrauen gehabt, so ein Wagnis einzugehen, und deshalb gewartet, bis sich eine Lücke im Verkehr aufgetan hatte, die groß genug war, um wenigstens die ersten beiden Spuren überqueren zu können. Auf dem Mittelstreifen hatte er dann noch einmal eine Reihe von Fahrzeugen vorbeilassen müssen, und als er schließlich die andere Seite des Freeway erreicht hatte, war der Mann nirgendwo mehr zu sehen gewesen.
Nun suchte er schon seit einiger Zeit nach ihm, was in der Dunkelheit nicht leicht war. Nur oben am Freeway, wo es einen beleuchteten Fußweg gab, brannten ein paar Laternen, der Rest des Parks war in tiefe Finsternis gehüllt, in der der Mann sich überall verstecken konnte - hinter einem Baumstamm, in einem Gebüsch oder sonst irgendwo in der Dunkelheit. Jack wusste nicht, was er tun sollte. Vielleicht
war es doch der falsche Entschluss gewesen, dem Mann hinterher zu rennen, vielleicht hätte er stattdessen ins Haus laufen und seinen Vater suchen sollen. Nachdem er mehrere Hundert Meter flussaufwärts gelaufen war und den Mann immer noch nicht gefunden hatte, machte er kehrt und trabte am Ufer des laut gurgelnden Potomac zurück.
Und dann hörte er es. Sogar durch das Tosen des Regens und das Rauschen des Flusses war es unüberhörbar. Etwas Schweres war ins Wasser gefallen, ein Stückchen flussaufwärts von der Stelle, an der Jack sich gerade befand. Was konnte das gewesen sein? Ein Baumstamm? Ein großer Stein? Oder …
… ein menschlicher Körper!
Später konnte Jack sich nicht mehr genau daran erinnern, was er in den nächsten paar Sekunden
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