Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Untersuchungskommission zum 11. September und sagte, sie hätten nicht die Befugnis gehabt, eine Hellfire-Rakete abzuschießen und er auch nicht.
Lt. General John Campbell, der bei allen Debatten über die Predator in George Tenets Nähe saß, fühlte sich ein bisschen wie ein Anthropologe, der die Kampfrituale eines fremden Stammes beobachtet. Er hatte seine Offizierslaufbahn bei der Air Force absolviert, war im Sommer zuvor nach Langley gekommen und hatte bei der CIA den Posten des Direktors für militärische Unterstützung übernommen. Er war damals ganz entschieden dafür, dass die CIA die Predator übernahm, aber wenn er heute über die Konflikte um bewaffnete Drohnen nachdenkt, die im Sommer 2001 in der CIA tobten, ist ihm klar, dass der Geheimdienst damals mit grundsätzlichen Fragen rang, deren Beantwortung darüber entschied, was er sein wollte.
»Wer beim Militär einen rechtmäßigen Befehl befolgt – und von einem Offizier wird erwartet, dass er einen rechtmäßigen Befehl befolgt – , der ist auf lange Sicht fast gänzlich davor geschützt, persönliche Verantwortung für seine Taten übernehmen zu müssen«, sagte Campbell. »Bei der CIA ist das anders. Sie genießt viel weniger Schutz. Sie kann gemäß einer Präsidialdirektive arbeiten. Das ist ein Stück Papier mit der Unterschrift des Präsidenten, auf dem steht: ›Ich erteile die Vollmacht, das und das zu tun.‹ Und dann kommt die nächste Regierung ins Amt, und das Justizministerium entscheidet, dass die Präsidialdirektive fragwürdig und vielleicht sogar illegal war. Und was dann? Die Kerle werden für ihre Taten persönlich verantwortlich gemacht.«
»Ein Ding wie die Predator«, fuhr Campbell fort, »mit dem man ganz bestimmte Einzelpersonen aufs Korn nimmt, wirft eine ganze Menge Fragen bezüglich künftiger Folgen auf.«
Campbells Stellvertreter war damals Ross Newland. Er saß bei den Auseinandersetzungen über die Predator in der ersten Reihe und konnte in den Sitzungen den Neubeginn des vertrauten Zyklus beobachten: Wieder einmal wurde eine »risikoscheue« CIA dazu gebracht, sich in einen geheimen Krieg zu verstricken. Auch Newland war für das Predator-Programm und fand, dass die Regierung Bush es sobald wie möglich zur Tötung Bin Ladens einsetzen sollte. Doch er musste auch an seine Zeit als Rauschgiftbekämpfer in Bolivien denken. Eine nicht darauf vorbereitete CIA hatte damals die Aufgabe bekommen, Drogenkuriere zu jagen, weil es sonst niemand tun wollte. Zwei Jahrzehnte später konnte Newland dasselbe beim Terrorismus beobachten.
Wenige Wochen später kamen bei den Angriffen des 11. September fast 3000 Amerikaner ums Leben, und lästige Fragen über Attentate, verdeckte Operationen und die richtige Verwendung der CIA bei der Jagd auf Amerikas Feinde wurden schnell beiseite geschoben. Schon wenige Wochen später begann der Geheimdienst, in Afghanistan Dutzende von Drohnenangriffen durchzuführen.
Mit der bewaffneten Predator-Drohne hatten die USA die ideale Waffe für den geheimen Krieg gefunden: ein Werkzeug, das in aller Stille tötete und nicht der Rechenschaftspflicht oblag, die sonst bei einer bewaffneten Auseinandersetzung gilt. Bewaffnete Drohnen sollten es amerikanischen Präsidenten ermöglichen, Schläge gegen weit abgelegene Dörfer und Lager in der Wüste anzuordnen, wo Journalisten und unabhängige Beobachtergruppen nicht hinkamen. Die Drohnenschläge wurden kaum je von einem Sprecher auf einem Podium öffentlich thematisiert, aber sie wurden privat von vielen Politikern aus beiden Parteien gutgeheißen. Sie hofften, Amerika könnte seine Muskeln spielen lassen, ohne das Leben von Amerikanern zu riskieren.
Technologien, die das Gesicht des Kriegs verändern, sind selten. In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde die Art, wie die Welt ihre Schlachten schlug, durch Panzer und Flugzeuge verändert. Die darauf folgenden fünfzig Jahre waren von Atomsprengköpfen und ICBM s dominiert, Waffen von einer derart schrecklichen Zerstörungskraft, dass eine neue Doktrin entwickelt wurde, um ihren Einsatz zu verhindern. Durch die Entwicklung der bewaffneten Drohne verkehrte sich dieses Kalkül in sein Gegenteil: Krieg war wieder möglich, gerade weil er so risikolos zu sein schien. Die Latte für den Krieg hing jetzt niedriger, das Zeitalter der Fernsteuerung hatte begonnen und die Killerdrohnen wurden in der CIA zu einem Faszinosum.
Im Sommer 2002 besuchte Ross Newland den kleinen Souvenirladen im CIA
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