Killing God
den Schultern – »Okay« – und klick auf den
STOP
-Button.
Im Zimmer wird es still.
Keine Musik, kein Soundtrack.
Ich hör das schwache Geräusch des Fernsehers unten.
Stimmen.
Eine Tür, die aufgeht, zugeht.
Ich werf einen Blick auf die Uhr: 23.42.
Taylor und Mel sind seit über einer Stunde hier.
»Geht’s deiner Mum gut?«, fragt Mel.
»Ja … wieso soll’s ihr nicht gut gehen?«
Mel zuckt mit den Schultern. »Hab nur gefragt.«
»Na dann …«
Und das scheint im Moment das Ende unserer Unterhaltung zu sein. Mel sitzt bloß mit gekreuzten Beinen da, raucht ihre Zigarette und wackelt mit dem einen Fuß hin und her. Und ich sitz in der unvertrauten Stille und stell mir Fragen.
Wieso braucht Taylor so lange?
Was hat Mel mit ihrem Bruder gemeint?
Und wie kommt es, dass sie plötzlich von fast ganz nett zu eindeutig
nicht
nett springt?
Und was hat Taylor wegen Dad gemeint?
(So ein Arschloch, was? Hatte er irgendwas vor?)
(Ich heiß Dawn.
Ich bin dreizehn Jahre alt.
Ich heiß Dawn.
Ich will nicht drüber nachdenken.)
»Bist du okay?«
Ich öffne die Augen und seh Mel an. »Was?«
»Du warst gerade einen Moment lang so komisch …«
»Komisch?«
»Ich dachte, du wärst eingeschlafen.«
»Und was ist daran komisch?«
Sie schaut mich schräg an. »Nichts, ich hab nur gedacht …« Sie unterbricht sich, weil Taylor zurück in mein Zimmer stolziert kommt.
»Alles okay?«, fragt sie.
Mel nickt.
Jesus und Mary watscheln rein und springen aufs Bett.
Taylor grinst mich an. »Guckt deine Mum immer Horrorfilme im Spätprogramm? Ich mein, die sitzt da unten und guckt
Creepshow 2
, Mann.«
»Na und?«, sag ich.
Taylor zuckt mit den Schultern und schaut rüber zu Mel. »Bist du so weit?«
Mel nickt wieder und steht auf.
Taylor dreht sich noch mal zu mir um. »Dann bis die Tage, okay?«
»Ja«, antworte ich. (Obwohl mir nicht ganz klar ist, was sie meint. Meint sie
wirklich
, sie wollen mich demnächst wieder treffen, oder sagt sie bloß Tschüss?)
Als Mel meinen Hunden zum Abschied den Kopf krault, steh ich vom Schreibtisch auf und geh zur Tür. Taylor nimmt die Flasche Wodka und steckt sie zurück in die Tüte –
klink
– und Mel sieht sich kurz im Zimmer um und checkt, ob sie auch nichts vergessen hat. Dann schlendern die beiden hinaus.
Ich geh ihnen hinterher.
Die Treppe runter.
Den Flur lang.
Die Tür zum Wohnzimmer ist zu, aber Taylor ruft trotzdem: »Tschüss, Mrs B.«, als wir vorbeigehen. Dann sind wir am Eingang und ich denk mir, sei lieber nett und höflich und öffne ihnen die Tür, aber Taylor drückt schon die Klinke und tut es selbst (als ob sie das schon Millionen Mal gemacht hätte).
Kalter Regendunst kriecht herein und schimmert silbern und orange im von der Straßenbeleuchtung erhellten Dunkel.Irgendwo ein Stück die Straße runter hör ich ein Auto starten und wegfahren.
»Bis dann«, sagt Taylor und tritt hinaus in die Nacht.
Mel sagt nichts, sondern sieht mich nur mit einem merkwürdigen kleinen Lächeln an.
Und dann sind sie weg, klackern eng aneinandergeschmiegt über den regennassen Gehweg und ihre Stimmen verlieren sich in der Nacht.
(walk away
you empty head)
Mum ist ziemlich fertig, als ich ins Wohnzimmer komm. Ihre Augen sind halb geschlossen, der Kopf ist auf die Brust gesunken und die Zigarette in ihrer Hand ist bis auf den Filter runtergebrannt. Als ich ihr den Ascheschlauch aus der Hand nehm und in den Aschenbecher tu, hebt sie den Kopf, versucht ihre Augen auf mich zu richten und lächelt mich mit einem schwankenden Blick an.
»Alles okay?«, frag ich sie und setz mich auf die Lehne ihres Sessels.
Sie nickt.
Ich schau auf den Fernseher.
Creepshow 2
muss wohl vorbei sein oder vielleicht hat Mum auch einfach genug gehabt, denn jetzt läuft so eine Serie mit lauter Polizei-Autojagden. Der Ton ist abgestellt. Es läuft gerade so eine Verfolgungsjagd – mit Nachtsichtkamera aufgenommen, aus einem Hubschrauber gefilmt, zwei weiße Kleckse, die durch ein unscharfes Grau jagen.
»Hat Taylor mit dir gesprochen, als sie unten war?«, frag ich Mum.
»Hmm …?«, murmelt sie und starrt auf den Bildschirm.
»Taylor … das blonde Mädchen. Ist sie hier reingekommen und hat mit dir gesprochen?«
»Taylor?«
»Ja. Das blonde Mädchen.«
Mum nickt (und dann, fast im selben Moment, schüttelt sie den Kopf). »Ja, nein … nein, viel hat sie nicht gesagt. Nur Hallo, du weißt schon … scheint ganz in Ordnung. Meinte, der Fernseher gefällt
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