Kim Novak badete nie im See von Genezareth
von einem verrückten Wissenschaftler namens Finckelberg. Er war gerade in seinem Ferrari davongebraust, um Benzin zu kaufen, damit er sie verbrennen konnte. Darkin befand sich hundert Kilometer weit entfernt, auf seinem Motorrad, einem BSA- 3001t mit Diamantzahnkranz. Ich war gezwungen, ihn heranbrausen zu lassen, bevor die Flammen um Vera Lanes schönen Körper züngelten, denn einerseits hatte ich nur noch acht Seiten im Heft übrig und andererseits konnte ich Feuer so schlecht zeichnen.
Ich war kein hervorragender Serienzeichner, das musste ich selbst zugeben. Aber ich hatte den Gestalten gegenüber, die ich geschaffen hatte, eine gewisse Verpflichtung. Wenn ich nicht über sie schrieb oder sie zeichnete, lagen sie sozusagen wie vergessene Marionetten einfach in der Unterhosenschublade.
Manchmal fand ich das fast anstrengend. Aber meistens - vor allem, wenn ich richtig in Fahrt gekommen war - war es mit das Sinnvollste, was ich während meiner ganzen Jugend getan habe. Zumindest hatte ich das Gefühl, vielleicht weil das Comiczeichnen eine der wenigen Beschäftigungen war, bei denen es mir gelang, den ganzen Mist zu vergessen, den es auf der Welt gab.
Ich hatte es noch nie einer Menschenseele erzählt. Noch nie hatte ich einem Außenstehenden etwas von Oberst Darkin gesagt.
Um so eine Art von Zeitvertreib handelte es sich.
Ich öffnete einen Apfelsaft. Nahm zwei Schluck und überlegte.
»Verflucht noch mal!«, schrieb ich in Darkins oberste Sprechblase. »Ich hätte wissen müssen, dass hier der Hund begraben liegt.«
Henry, mein Bruder, schrieb für den Kurren alles Mögliche.
Über die Versammlung des Gemeinderats, über Motorradrennen, über mögliche Brandstifter. Über Kälber mit zwei Köpfen und Geschwister, die sich nach siebenundfünfzig Jahren wiederfanden. Was er nicht in der Redaktion oder in der Stadt aufschnappen konnte, fand er in anderen Zeitungen, in schwedischen oder auch in ausländischen. Er verbrachte mindestens eine Stunde am Tag damit, Neuigkeiten und Sensationen aus aller Welt in der Stadtbibliothek von Örebro zu durchforsten. Um eine Idee oder einen Hinweis für eigene Recherchen und Artikel zu finden.
Alles, was er geschrieben hatte, schnitt er aus und klebte es in große Mappen ein. Zu der Zeit, in dem Sommer, als meine Mutter sterben sollte, hatte er bereits ein halbes Dutzend solcher Mappen, in denen er mich manchmal blättern ließ, wenn ich ihn in seiner Bude in der Grevgatan besuchte. Ich saß gern dort zusammengekauert auf seinem wackligen Bett mit den Metalltrallen an Kopf- und Fußende, und guckte mir die Überschriften an. Nur selten las ich den Text, aber die Überschriften gefielen mir. Ich wusste damals nicht, dass es fast immer jemand anders war, der diese Aufreißer getextet hatte, und nur ganz selten Henry.
Schlaue Sau siebzig Kilometer schwarzgefahren Branntwein prima für Blutdruck Deutsche Minister auf Stippvisite in Arboga
Wenn ich so eine prima Überschrift gelesen hatte, schloss ich
für eine Weile die Augen und versuchte, mir die komplizierte Wirklichkeit vorzustellen, die sich dahinter verbarg. Manchmal gelang mir das, manchmal nicht.
***
»Da ist noch was«, sagte Henry, mein Bruder, eines Tages, es war nicht einmal mehr eine Woche bis zu den Sommerferien.
Ich schaute von einem Zeitungsausschnitt auf, auf dem ein Famoser Feuerwehrmann sich beide Beine in Broby gebrochen hatte.
»Jaha?«, fragte ich.
Henry betrachtete seine Zigarette und drückte sie im Affenschädel voll feuchtem Sand aus, der neben der Facit- Schreibmaschine auf dem Schreibtisch stand.
»Was den Sommer betrifft.«
Jetzt macht er einen Rückzieher, dachte ich. Verdammte Scheiße.
»Was denn?«, fragte ich.
»Ein paar Sachen sogar«, sagte er und sah Ricky Nelson noch ähnlicher als sonst. Oder Rick. Ich klappte die Mappe mit den Ausschnitten zu.
»Ich arbeite nicht mehr für den Kurren.«
»Mhm?«
»Jedenfalls diesen Sommer nicht.«
»Diesen Sommer?«
»Ja. Ich will ein Buch schreiben.«
Er sagte das, als handelte es sich darum, zu Karlesson zu gehen und ein Eis am Stil zu kaufen.
»Ein Buch?«, wiederholte ich.
»Genau. Irgendwann muss man das einfach tun.«
»Ja?«
»Jedenfalls müssen das einige Menschen tun. Und ich bin so ein Mensch.«
Ich nickte. Davon war ich überzeugt. Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte.
»Wovon soll es denn handeln?«
Er antwortete nicht sofort. Legte die Füße auf den Schreibtisch, nahm einen Schluck aus der
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